Die Geschichte der Petrine.
von Max Schuster und Christian Ohrt,
Friedrich-Schiller-Gymnasium Preetz
Es gibt kaum ein Schiff, das auf eine so bewegte Geschichte wie die der „Petrine“, dem letzen erhaltenen deutschen See-Ewer, zurückblicken kann, denn kaum ein Schiff hat so viele Höhen und Tiefen hinter sich. Vieles in der Geschichte des Schiffes ist ungeklärt und vieles wird nach diesem Aufsatz auch noch ungeklärt bleiben, trotzdem versuchen wir, die Lücken, die in der Schiffsgeschichte der Petrine klaffen, jedenfalls teilweise zu füllen.
Die Geschichte.
Die Geschichte der Petrine beginnt in Moorrege, einer kleinen Stadt die etwa 15 km von Hamburg entfernt ist und die an einem Fluss, der Pinnau, gelegen ist. An diesem Fluss befand sich eine Werft, die Jacobs-Werft. Wie bereits in der Beschreibung des Ewers erwähnt, hatte sich diese Schiffs-Manufaktur auf den Bau von kleineren Stahlschiffen spezialisiert. 1898 wurde hier begonnen, die jahrhundertealte Kunst des Holzschiffbaus auf das neue Material Stahl zu übertragen, da sich der Stahlschiffbau nach und nach auf dem Markt durchsetzte.Stahlschiffe hatten im Gegensatz zu Holzschiffen neben der Stabilität im Wesentlichen den Vorteil, dass sie wesentlich pflegeleichter waren. Dadurch wurden sie für viele Reeder interessant, die Pflegekosten sparen wollten.
Um auch weiterhin konkurrenzfähig bleiben zu können, war es für die Jacobs-Werft also unumgänglich, sich mit dem Stahlschiffbau zu befassen. Die Versuche, ein brauchbares Schiff, das für die Binnenschifffahrt bestimmt ist, aus Stahl herzustellen waren sehr bald von Erfolg gekrönt, was sich eindeutig an den großen Verkaufszahlen von Frachtschiffen zeigen lässt: bis 1920 sind hier über 70 (!) kleine bis mittelgroße Frachtschiffe aus Stahl vom Stapel gelaufen.Ein Schiffstyp, der sich besonders großer Beliebtheit erfreute, war der bereits beschriebene Ewer. Unter Anleitung von Johann Hinrich Jacobs entstanden insgesamt 100 Ewer, die im Wesentlichen zu Frachtzwecken auf der Elbe bestimmt waren. Einer der Schipper, der die Vorzüge des Ewers zu schätzen wusste, war PeterBobsien, der ursprünglich nur einen verrotteten Holzkahn besaß.
Johann Hinrich JacobsDieser war jedoch mit vorschreitender Zeit immer weniger in der Lage, einen sicheren Transport von Gütern zu gewährleisten. Um also seinen Auftraggebern gegenüber glaubhaft versichern zu können, dass die aufgegebene Fracht sicher das Ziel erreicht, benötigte der Unternehmer also ein neues, stabiles Schiff. Aus diesem Grund gab er der Jacobs-Werft den Auftrag zum Bau eines Ewers. Das Schiff, das 1909 schließlich vom Stapel lief war einer der größten Ewer, die je gebaut wurden (die Nutzlast betrug 64 to) und trug den Namen „Perine“. Das Besondere an diesem Exemplar, von dessen Gattung nur 6 oder 7 Stück gebaut wurden, war, dass er, anders als die kleinen bis mittelgroßen Ewer nicht nur auf Binnengewässern und nahe der Küste, sondern auch auf offener See fahren konnte.Voraussetzung dafür war natürlich eine fachgrechte Beladung. Nicht alles an diesem Neubau war wirklich fabrikneu. Der Geschäftsmann Bobsien hatte, um Kosten zu sparen alle erdenklichen Teile, die noch annähernd ihren Dienst erfüllten, auf dem Rumpf der Petrine installiert.
So befand sich z.B. der alte Großmast mit allen Spieren, dem Segel sowie laufendem und stehendem Gut an Bord des neuen Ewers. Nach dem Ersten Weltkrieg gab der Schiffer 1919 die Schifferei auf und kaufte sich für den Verkaufserlös des Schiffes eine Kneipe in Plattengülle an der Elbe. Die Gründe für den Berufwechsel im hohen Alter sind nicht bekannt. Der neue Besitzer des Ewers, Fritz Stumpenhagen aus S¯nderborg taufte das Schiff auf den Namen „Edelgaard“. Auch dieser Besitzer benutzte das Schiff als Transportmittel für Stückgut; viel mehr ist über die Aufgaben des Schiffes zu dieser Zeit nicht bekannt. Ein bedeutendes Ereignis für die „Edelgaard“ war 1924 der Einbau der ersten Hilfsmaschine, mit deren Hilfe der Skipper endlich auch bei ungünstigen Windverhältnissen in der Lage war, an- oder abzulegen. Bei dem Motor handelte es sich um einen Glühkopfmotor der Firma „Deutsche Eisenwerke“, der 31 PS leistete. Bereits 2 Jahre nach dem Einbau der Maschine verkaufte Fritz Stumpenhagen die „Edelgard“ an die Familie Warming aus Dänemark, in deren Besitz sie am längsten blieb. Diese Familie blickt auf eine lange Seefahrertradition zurück, die im Anhang „Die Warmings“ näher beschrieben wird.
Der Alltag.
Hans-Peter Warming und seine „Olga“ waren aus den Transport von Stück- und Schüttgut spezialisiert; ein Gewerbe, das sich damals wesentlich aufwendiger darstellte als heute, da ein großer Teil des Be- und Entladens mit der Hand abgewickelt wurde.
Die einzige mechanische Hilfe, die es an Bord gab, war ein Schwergut-Ladebaum, der das Beladen des Schiffes mit extrem schwerem Stückgut erleichterte. Diese Hilfe war unbedingt vonnöten, da Hans-Peter für eine Steinmetzgerei Findlinge von bis zu 6 to Gewicht transportierte. Doch trotz der mechanischen Hilfe war das Be- und Entladen bei derartig unhandlicher Ladung ein Problem: Anfangs befand sich nur eine handbetriebene Winde an Deck, mit der die Brocken gehoben werden konnten. Diese wurde aber bald durch eine Winde ersetzt, die von einem kleinen Glühkopfmotor mit 6 PS angetrieben wurde, der Schwerguttransporte wesentlich erleichterte. Anders gestaltete sich der Ladevorgang, wenn kleines Stückgut wie z.B. Ziegelsteine, aus denen ein Großteil des Transportaufkommens bestand, an Bord gebracht werden sollten. Hier war Handarbeit gefragt, da es noch keine Hilfsmittel gab, die mit heutigen Paletten oder Containern vergleichbar sind.
Also mussten die Steine Stück für Stück an Bord gebracht werden. Es ist anzunehmen, dass die Arbeiter (meistens zwei) ein jede Mal, wenn eine Fracht Ziegelsteine wartete, das Ladevolumen des Ewers verfluchten. Schließlich dauerte es zu zweit 1,5 Tage, den Laderaum des Schiffes mit 52000 Steinen zu füllen. Ähnlich unangenehm gestaltete sich das Löschen einer Kohleladung, wenn der angesteuerte Hafen keinen Kran besaß. Hier mussten die gesamten 20 Tonnen Kohle mit der Schubkarre oder in Eimern ans Tageslicht befördert werden. 1932 erhielt die „Olga“ eine neue Hauptmaschine, die das Fahren wesentlich erleichterte. Mit ihr konnte man aufgrund der höheren Leistung (56 PS) auch längere Zeit gegen den Wind fahren, ohne dass der Zylinderkopf gereinigt werden musste. Die Funktion dieser Maschine wird im Anhang „Maschinen“ erläutert.
Die Aufträge bekam Hans-Peter zum einen Teil von Stammkunden, von denen einer die eben erwähnte Steinmetzgerei war. Der andere Teil der Aufträge ging bei einem Makler ein, der diese den ihm angeschlossenen Schippern anbot. Diese waren frei in ihrer Entscheidung, die Fracht anzunehmen oder nicht. Dies war jedoch nicht selbstverständlich; einige Schiffe waren einem festen Makler vertraglich unterstellt, dessen Aufträge sie annehmen mussten. Hans-Peter war hingegen in der Lage, den Preis für eine Fracht zu bestimmen.
Bei normalen Frachtpreisen reichten durchschnittlich drei Transporte pro Monat auf der Standardroute Flensburg-Kopenhagen aus, um die Familie das Jahr hindurch gut zu ernähren, problematisch wurde es hingegen bei schlechter Wirtschaftslage, die sich sehr gut im Erscheinungsbild des Hafens Rellaun bei Kopenhagen zeigte. Hier warteten die kleinen Segler auf Fracht aus Kopenhagen. Bei wirtschaftlicher Baisse drängten sich die Schiffe hier dicht an dicht. Im Winter wurde, wenn im Sommer genügend verdient wurde, nicht gefahren. Das Schiff lag in dieser Zeit auf der Werft und es wurden Reparaturen, die über das Jahr fällig geworden waren, erledigt.
Die Petrine im Krieg.
Besondere Schwierigkeiten hatte Hans-Peter Warming im Zweiten Weltkrieg zu überwinden, da alle Rohstoffe äußerst knapp waren. Die zeigte sich vor allem darin dass immer weniger Aufträge zum Transport von Kohle eingingen, aus denen üblicherweise ein fester Bestandteil der jährlichen Einnahmen kam. Die Knappheit wirkte sich jedoch noch viel direkter auf die tägliche Arbeit aus, da auch der Schifffahrt der Brennstoff nur in sehr beschränktem Maße zugänglich war. Die Maschine konnte also nur sehr sparsam beim An- und Ablegen eingesetzt werden. Neben Treibstoff herrschte auch ein großer Mangel an Tauwerk und Segeltuch. Dies hatte zur Folge dass Hans-Peters Fähigkeiten im Flicken von Seilen und Segeln mit fortschreitender Kriegsdauer immer ausgefeilter wurden. Unter den ständigen Reparaturen litt natürlich die Qualität des Riggs; bei extremen Windstärken konnte also nicht mehr gefahren werden. Des weiteren war es während des Krieges eine große Herausforderung, nachts unbeschadet zu segeln.
Die Positionslichter durften nicht brennen, da die Gefahr, angegriffen zu werden zu hoch war. Andere Schiffe erkannte man daher wenn überhaupt zu spät. Dies war der Grund für einen nächtlichen Zusammenstoß, der der „Olga“ im Heimathafen den Klüverbaum kostete. Da die „Olga“ ein dänisches und damit neutrales Schiff war, hatte Hans-Peter nie Probleme mit Militär oder Behörden. Die einzige Aktion, die Probleme hätte verursachen können war der illegale Transport eines schwedischen Kuriers nach Schweden.
Verkauf an den Junior und weiter
1953 ging Hans-Peter Warming in den Ruhestand und verkaufte das Schiff offiziell an seinen Sohn Hans-Thorvald.
Für ihn war die „Olga“ jedoch nur noch kurze Zeit rentabel, daher verkaufte er sie im Jahre 1956 an H.A. Falkenberg und investierte den Erlös in ein größeres Segelschiff. Der neue Besitzer benannte das Schiff in „Svenla“ um und nutzte es weiterhin als Frachter. 1959 wurde unter seiner Regie ein Alpha-Dieselmotor mit ca. 100 PS eingebaut, der erst-mals das Fahren über weitere Strecken ohne Segel ermöglichte. 1969 brachte die „Svenla“ auch H.A. Falkenberg nicht mehr genug Einnahmen in die Kasse;
er sah sich gezwungen, das Schiff an F.K. Sörensen aus Aarhus zu verkaufen. Dieser baute das ursprüngliche Segelschiff zum Steinfischerfahrzeug um und nannte es „Tove Anette“. Bis 1975 fischte die ehemalige Petrine in der Ostsee nach Gesteinsbrocken, die für den Bau eines neuen Containerhafens nahe Kopenhagen benötigt wurden. Als diese fertiggestellt war, hatte das Schiff ausgedient und wurde an K.T. Andersen aus Lögstör verkauft, der es wieder zum Frachtschiff umbaute, das er “Hejmakej“ taufte. ald jedoch musste er erkennen, dass sich Ende der 70er Jahre kein Geld mehr mit Frachtschifffahrt verdienen lässt. Das rostige alte Schiff hat so offensichtlich keinen Nutzen mehr und soll 1980 abgewrackt werden. Durch Zufall wird Joachim Kaiser, ein Liebhaber alter Schiffe, auf das Schiff aufmerksam und findet trotz des Rosts der sich nicht zu knapp an Ecken und Kanten präsentiert, Gefallen am Schiff. Obwohl er keine genaue Ahnung hat, was er mit dem Ewer anstellen soll, ersteht er ihn für den Schrottpreis und überführt ihn in einer spektakulären Aktion nach Deutschland. Dort fährt er direkt nach Moorege, um das Schiff dem Junior der mittlerweile niedergelegten Jacobs-Werft zu präsentieren. Dieser ist begeistert vom umständehalber sehr guten Zustand des Stahlrumpfes. Joachim Kaiser findet, nachdem die „Hejmakej“ ihren ursprünglichen Namen „Petrine“ zurückbekommen hatte, keine weitere Verwendungsmöglichkeit für den Segler und musste ihn 1981 an Hartwig Schröder verkaufen.
Er fand eine ganz neue Art der Nutzung: In mühsamer Handarbeit und mit nur geringen finanziellen Etat gelang es ihm, das als Frachter konstruierte Schiff zum Passagierschiff umzubauen, mit dem er Gruppentouren auf der Ostsee anbot. Trotz der teilweise spartanischen Ausstattung kommt das Konzept bei den Kunden gut an. So sieht Hartwig sich vom Ehrgeiz ein noch größeres Schiff auszubauen gezwungen, den Ewer an einen Freund zu verkaufen. Jochen Storbeck bietet bis heute Gruppenreisen auf dem Veteran an, die immer wieder begeistern können.
Die Warmings
Die Warmings sind eine Familie mit langer Seefahrertradition. Wir sprachen mit Hans-Thorvald Warming, dem letzten Nachkommen dieser Familie.
Er kann auf vier Generationen zurückblicken, die alle in der Seefahrt ihren Lebensunterhalt verdienten: Der Urgroßvater war von Beruf Fischer. Häufig trieb ihn seine Arbeit jedoch bis vor Grönland, wo er mit auf Walfang war. Für die daheimgebliebene Familie kaufte er 1851ein Haus an der Flensburger Förde (dänische Seite), in dem Hans-Thorvald Warming noch heute wohnt. Diese Reetdachkate existiert jedoch schon seit 1785, ist heute also über 200 Jahre alt. In der darauffolgenden Generation erinnert Hans-Thorvald sich an einen Großvater, der als Matrose auf großen Segelschiffen z.B. um Kap Hoorn und an die Chile-Küste gefahren ist. Nach diesen Reisen machte er in Flensburg eine Lehre als Schiffbauer.
Hier hatte man Ende des 19. Jahrhunderts die besten Aussichten, eine Anstellung zu finden. (Im Dorf und Umgebung gab es lediglich 2 Bauernhöfe; die restliche arbeitende Bevölkerung war entweder im Schiffbau, in der Schifffahrt oder in der Fischerei beschäftigt.)
Hans-Thorvald‘ Vater Hans-Peter Warming war zunächst als Kapitän bei der Reederei Lausen angestellt. Da er jedoch unzufrieden war, dass er stets von seinem Arbeitgeber abhängig war, kaufte er die „Edelgard“, die er in „Olga“ umbenannte und fuhr als (schein)selbstständiger Unternehmer für eine Spedition. Das Einkommen reichte tatsächlich aus, um mit einer Familie davon leben zu können. Hans-Peter, zwei Brüder und sechs Vettern, die ebenfalls Kapitäne waren. Das Schiff war für Hans-Thorvald wie ein zweites Zuhause. Oft begleitete er seinen Vater auf dessen Segeltouren und lernte so, mit dem Schiff umzugehen. Trotzdem hatte Hans-Thorvald eigentlich nicht vor, den Rest seines Lebens auf einem Schiff zu arbeiten, erst recht nicht auf einem so kleinen. Leider hatte er auch keine Vorstellung von einem alternativen Beruf, da diese im Krieg (1942) rar geworden waren.
Die Mutter riet ihm also aus Angst, er könne gar keinen Arbeitsplatz finden, dazu den Beruf des Vaters aufzunehmen. Also begann Hans-Thorvald im Jahre 1942 eine Lehre bei seinem Vater und lernte in den vier Jahren, in denen er auf dem Schiff fuhr alles, was zum Umgang mit „Olga“ notwendig war. Mit den Kenntnissen, die er hier erworben hatte, ging er für ein paar Jahre auf große Fahrt, um nach dem Wehrdienst bei der Marine sein Kapitänspatent zu machen. Dies erlaubte ihm schließlich, allein mit Olga über die Ostsee zu fahren und den Beruf des Vaters aufzunehmen.
Der Glühkopfmotor
Dieser Motorentyp ist der Vorfahr des heutigen Dieselmotors. Der wesentliche Unterschied besteht darin, das der Glühkopfmotor keine Glühkerzen besitzt, mit denen er die Brennkammer vorheizt. Die geschieht manuell durch Erwärmen des Zylinderkopfes z.B. mit einer Lötlampe. Die Verbrennung des Kraftstoffes erfolgt genau wie auch beim Dieselmotor durch eine unkontrollierte Entzündung des Kraftstoffes bei genügend hohem Druck. Voraussetzung für eine Zündung ist ebenfalls eine ausreichende Temperatur, die durch das Heizen des Zylinderkopfes erreicht wird.
Der wesentliche Nachteil dieser Maschine lag nicht in der schlechten Handhabung oder in der geringen Leistung, sondern darin, dass sich im Zylinderkopf stets Koks ablagerte.Nach ca. sechs Betriebsstunden quittierte die Maschine aufgrund zu dicker Kohleschicht den Dienst. Man musste also den Zylinderkopf abnehmen und mit einem Schraubenzieher vom Dreck befreien. Danach lief der Motor wieder rund. Einen wesentlichen Fortschritt brachte die Maschine, die 1932 eingebaut wurde. Sie funktionierte nach dem Prinzip des hoch komprimierten Glühkopfes, der nicht mehr so lange vorgewärmt werden musste. Die Zündung des Kraftstoffes erfolgte hier bereits bei niedrigerer Temperatur, da der Zylinder einen höheren Druck aufbaute. Neben der üblichen Verbrennung wurde der Motor von einer Art Dampfmaschine angetrieben. Aus einer zweiten Düse wurde Frischwasser in die Brennkammer gespritzt, das sich aufgrund der hohen Temperatur bei der Verbrennung sofort in Wasserdampf verwandelte und so durch die Expansion des Volumens den Kolben vorantrieb. Diese Maschine verrußte nicht mehr.
Der Ewer – ein Binnensegler mit Tradition
Welcher Seemann kann heute noch etwas mit dem Wort „Ewer“ anfangen? Den nautisch nicht bewanderten mag diese Bezeichnung eher an den im Forst-Fachjargon angesiedelten Fachterminus „Eber“ erinnern. Doch trotz der scheinbaren sprachlichen Verwandtschaft mit dem Waldbewohner hat der „Ewer“ nichts im Jäger-Vokabular zu suchen, vielmehr ist es ein Schiffstyp, der im Folgenden ausführlich erläutert werden soll. Kein Wunder ist es jedoch, daß es heutzutage zu der eben erwähnten Verwechslung mit dem Wort Eber kommt. Die Schiffsgattung „Ewer“ ist nahezu ausgestorben, bzw. die Ewer sind meist so umgebaut, daß sie kaum noch als solcher zu erkennen sind. Da es die Bedürfnisse in der modernen Wirtschaft nicht mehr gibt, sind auch die alte Ewer fast vollständig verschwunden.
Jedoch in den Anfängen des Stahlschiffbaues gab es diese Bedürfnisse noch, die in unserer heutigen Wirtschaft mit Tankerriesen und Containerschiffen völlig untergegangen sind. Zur Jahrhundertwende herrschte in der Nord- und Ostsee und natürlich auch auf der Elbe und deren kleinen Nebenflüssen ein reger Schiffsbetrieb. Ein Großteil des nationalen Transportaufkommens wurde, im Gegensatz zu heute, auf dem Wasserweg abgewickelt, da dieser viel ausgeprägter war, als das Straßennetz oder Bahnschienennetz. Um hier möglichst flexibel zu sein, bedurfte es kleiner und wendiger Schiffe, die in der Lage waren, nicht nur auf der Elbe selbst, sonder auch auf deren unzähligen Nebenflüssen zu navigieren. So konnte man auch das in kleinen Orten angesiedelte Gewerbe versorgen, die schlecht and das Straßennetz oder Bahnschiennetz angeschlossen waren.
Der Vorteil von Schiffen lag darin, daß sie die Transportmittel, die man auf dem Landweg hatte, bezüglich der Kapazität (und meist auch an Geschwindigkeit) um ein Vielfaches übertrafen und somit viel vorteilhafter als alle anderen Transportmittel waren. So war es kein Wunder, daß einige Werften ihre Produktion auf wendige Schiffe konzentrierten, um den Bedarf der Speditionen abzudecken. Eine dieser Werften war die Jacobs – Werft in Moorrege an der Pinnau, einem kleinen Nebenfluß der Elbe. Die hier ansässigen Schiffskonstrukteure fingen 1909 an den Schiffstyp „Ewer“ zu produzieren, wobei natürlich auch andere Werften diesen Schiffstyp produzierten, die Jacobs-Werft allerdings die größten und eindrucksvollsten Ewer auf den Markt brachte.
Bei der Konstruktion dieser Ewer mußte auf folgende Kriterien Rücksicht genommen werden: wenig Tiefgang, Wendigkeit, fahrbar mit wenig Besatzung, Geschwindigkeit und natürlich ein großen Frachtraum, damit der Frachtsegler auch seine Transportfunktion ausüben konnte. Ein Mittel, mit dem man versuchte diesen Kriterien gerecht zu werden, war der spezielle Rumpf des Schiffstyp „Ewer“: An dieser Skizze erkennt man recht gut, daß der Rumpf der Petrine ganz und gar platt war. Diese platte Rumpfform hatte zur Folge, daß das Schiff einen sehr geringen Tiefgang hatte und somit ideal für die Binnen- und Küstenschiffahrt war, die für den nationalen Handel vom größter Notwendigkeit war. Der Tiefgang der Petrine beträgt nämlich nur 1,80m! ( Im Vergleich: Ein neuzeitlicher Segler hat meist 3m Tiefgang )
Technische Daten der Petrine:
Baujahr 1909
Länge über alles 33,0 m
Rumpflänge 25,0 m
max. Breite 5,50 m
Tiefgang 1,80 m
Segelfläche 320 m²
Auch war durch diese platte Form gewährleistet, daß das Schiff eine günstige aquadynamische Form besaß, was sich hauptsächlich auf die Geschwindigkeit des Schiffes auswirkte, denn durch den verringerten Wasserwiderstand konnte der Segler ohne Schwierigkeiten gleiten und somit höhere Geschwindkeiten erreichen. Die Form war auch bei der Krängung von Vorteil. ( Krängung: Wenn ein Schiff krängt, bedeutet dies, dass es bei starkem Wellengang auf die Seite kippt. ) Außerdem hatte die Petrine durch diese platte Schiffsform noch einen anderen Vorteil, den herkömmliche Schiffe mit der eher keilförmigen Rumpfform nicht hatten. Durch den in der Nordsee auftretenden Tidenhub konnte es passieren, daß ein Schiff trockenfiel: für die „Petrine“ kein Problem, während andere Schiffe zu kentern drohten. Die Petrine setzte flach auf und konnte, sobald die Flut wieder einsetze, ohne Probleme weiter segeln.
Auch die restlichen technischen Daten versprachen ein schnelles und wendiges Schiff, denn durch die beachtliche Größe der Segel, die eine gesamte Fläche von 320m² einnahmen, konnte das Schiff hohe Geschwindigkeiten erreichen und hatte somit auch Vorteile gegenüber den anderen Seglern. Natürlich bestanden die Segel damals aus Baumwolle und mussten deshalb auch trocken gehalten werden, da sie sonst das Doppelte wogen und die Fahrt auf offener See stark behinderten. Doch es war nicht immer einfach, diese Segel trockenzuhalten, da man in einem Unwetter natürlich auf sie angewiesen war.
Natürlich sorgten die Konstrukteure des Schiffstyps „Ewer“auch dafür, daß es seine Handelsfunktion wunderbar ausführen konnte. Dies wurde hauptsächlich durch einen recht großen Frachtraum erreicht, der allerdings zu Lasten der Wohnräume ging, was jedoch nicht so schlimm war, da das ganze Schiff mit nur 3 Mann bedient werden konnte. Die einklappbaren Masten machten es möglich, auch unter tieferen Brücken hindurch zufahren und sorgten somit für eine größere Mobilität in der Binnenschiffahrt: So konnte ein Ewer, obwohl er eigentlich sehr hoch ist, auch Orte erreichen, die ihm normalerweise nicht zugänglich waren.
Eine höhere Wendigkeit wurde hingegen mit Hilfe von Klappschwertern erreicht, die an der Steuerbord- und Backbordseite des Schiffes angebracht sind. Diese Klappschwerter bestehen aus Eiche und sorgen dafür, daß das Schiff nicht so leicht abdriften kann. Die Klappschwerter waren von größter Notwendigkeit, denn da der Schiffsrumpf platt ist, besaß die Petrine, bzw. der Schiffstyp „Ewer“, kein Schwert am Rumpf, wie die neuzeitlichen Segler. Besonders bei dem Einfahren in einen Hafen zeigte sich die Anwendungsmöglichkeiten dieser Schwerter , die das Navigieren in schwer befahrbaren Orten erleichterten, denn sie sorgten dafür, daß der Kapitän des Schiffes leichter eine Wende fahren konnte und somit besser im Hafen navigieren konnte.
Auch sollte das Schiff leicht und mit wenig Mann betrieben werden. Mit dem Schiffstyp „Ewer“ schafften die Schiffsingenieure in der Jacobs-Werft einen Schiffstyp, der einzigartig in der Bedienung ist, da er nur mit 3 Mann bedient werden musste. Dies ist in unser heutigen Zeit kaum noch möglich, wenn man unter Segeln fährt. Zu diesem Zweck gab es mehrere Konstruktionen an Bord, die beim Ewer in der originalen Form vorhanden waren. Ein Beispiel hierfür wäre, daß die Fock auf einem Leuwagen lief. Ein Leuwagen ist eine Art Eisenbalken, der querschiffs vom Mast lief. Mit diesem und einer sogenannten Ohrfeige konnte man dann die Fock erst einmal befestigen, bis das Schiff im richtigen Winkel zum Wind stand.
Diese und andere Konstruktionen machten es möglich, das Schiff mit einem Minimum von Besatzung zu navigieren und außerdem konnte durch dieses auch Wohnraum eingespart werden, was natürlich zugunsten des Frachtraumes ging. Insgesamt sind etwa 100 Schiffe von diesem einzigartigen Schiffstyp gebaut worden, wobei die Petrine die eine einzige ist, die noch existiert. Doch auch sie ist längst nicht mehr in ihrem Orginalzustand, obwohl noch viel des alten Schiffstyp erhalten ist.
In knapp 95 Jahren hat sich der alte See-Ewer und Transportschiff in ein Touristenschiff verwandelt und die Mannschaft verdient ihr Gehalt schon längst nicht mehr, in dem sie Kohle oder Briketts verfrachtet, sondern in dem sie Wißbegierige in die Welt des Segelns einführt. Doch diese Verwandlung war ein langer Prozeß, der nicht von heute auf morgen von statten ging, es war ein langer Weg bis das Frachtschiff in ein Spaßsegler für Interessierte verwandelt war und trotzdem immer noch ein Hauch des Vergangen mit sich trägt.
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.