Von Stockholm nach Greifswald (die Rückreise)
Hier berichtet der Skipper direkt von Bord über die Rückreise von Stockholm nach Greifswald. Zum Bericht über die zweite Etappe und über die erste Etappe geht es mit einem Klick auf die Links!
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Dienstag, 4. August
Am Sonntagmorgen legten wir nach Frühstück, Sicherheitseinweisung und Wacheinteilung in Stockholm vor dem Vasamuseum ab. Durch Danviksbrücke, Hammarbyschleusen und Liljeholmsbrücke fuhren wir zum Mälarsee. Über Mittag legten wir einen Badestop beim Wasserwerk von Hallunda ein. Wie erhofft erwischten wir anschließend die Nachmittagsbrise, konnten Segel setzen und um 17.00 Uhr am einsamen Frachtanleger von Birka anlegen. Ein idealer Platz für Lagerfeuer, Grill, Gitarre und Gesang.
Den Montagmorgen nutzten wir für Wanderungen und Besichtigungen im Weltkulturerbe „Alter wikingerzeitlicher Handelsplatz Birka“ mit nachgebautem, sympathisch unordentlichem Wikingerdorf und vielen wilden Kirschbäumen. Nach dem Mittagessen konnten wir Segel setzen und bis vor die Södertälje Vik segeln. Dort aufzukreuzen versuchten wir, aber es brachte uns nicht so richtig vorwärts. So tuckerten wir eine Stunde südwärts nach Södertälje. Wir wurden zügig durchgeschleust, durchquerten Kanal und Industriehafen und konnten die Segel wieder setzen. Es blieb mühsam mit wechselnden Winden, was Richtung und Stärke betraf, aber wir gaben unser Bestes. Um 19.30 Uhr gingen wir zu Anker, immerhin 15 Seemeilen südlich von Södertälje.
Heute regt sich bislang kein Lüftchen und wir fahren mit Maschine durch sonnenbeschienene Schären nach Süden. Für heute Nacht ist Nordwestwind angekündigt. Wenn sich das bestätigt, wollen wir durch die Nacht nach Gotland segeln.
Donnerstag, 6. August
Heute bleiben wir in Visby. Der Wind weht widrig aus Südwest, die Sonne scheint, die Stadt ist wie immer wunderschön. Aber wie sind wir hergekommen?
Am Dienstag erwachten wir in Sonnenschein und völliger Windstille zu einem erfrischenden Morgenschwimmen. Anschließend motorten wir drei Stunden im Schärenfahrwasser zur Lieblingsschäre Sävö. Hier verbrachten wir den Tag vor Anker liegend mit Schwimmen, Wandern und Gebackenem. Unterdessen wartete die Petrine geduldig auf den West- und Nordwestwind, der für die Nacht angesagt war. Um 20.30 Uhr gingen wir Anker auf und tuckerten in der Abenddämmerung südwärts aus den Felsen heraus. Um Mitternacht konnten wir die Maschine stoppen und segelten durch Nacht und Tag mit moderatem Wind, mal mit drei, mal mit sieben Knoten. Mittwochnachmittag um 15.30 Uhr segelten wir in den Hafen von Visby. Jetzt sind Erholung von den Nachtfahrt und Zerstreuung in der Stadt angesagt.
Der Wind soll morgen eingeschlafen sein, sodass wir wohl noch andere gotländische Häfen besuchen werden.
Freitag, 7. August
Die Karlsinseln liegen westlich von Gotland, etwa 5 Seemeilen von der Hauptinsel entfernt. Heute Morgen beschlossen wir, gegen den nutzlosen Südwestwind zu motoren und erreichten um 14.00 Uhr den Anlegesteg von Stora Karlsö, der großen Karlsinsel. Wir sind die einzigen Besucher dort! Hier ist sonst nie ein Liegeplatz zu bekommen, aber in diesem Jahr fällt der Dampfer mit den Tagesbesuchern aus und Segelboote sind ja ebenfalls nur wenige unterwegs.
Wir liegen in einer halbrunden Bucht zwischen 50 Meter hohen Kalksteinplateaus. Fossilien können hier mit Handfeger und Kehrblech eingesammelt werden. Auf kargem Trockenrasen grasen Schafe und Hasen zwischen Wacholderbüschen. In der Ferne sehen wir Öland, zur anderen Seite und viel näher die kleine Karslsinsel und Gotland. Die Kundigen unter uns konnten den Lummensprung beobachten. Flugunfähige junge Lummen werden von ihren Eltern aus dem Nest geschupst, damit sie fliegen lernen. Ein Elternteil passt unten auf, dass es für die Jungtiere glimpflich verläuft und belohnt gute Flüge mit Fisch. Dass der Lummensprung, der üblicherweise im Juni erfolgt, bis in den August andauert, ist eine Folge von Corona. Wie das?
Die ausbleibenden Tagestouristen haben zu einer beträchtlichen Vermehrung der Seeadler auf den Inseln geführt. Das können wir jederzeit mit einem Blick an den Himmel über dem östlichen Steilufer feststellen. 30 Seeadler seien bei einer Gelegenheit zugleich gesehen worden, teilte uns die Vogelkundlerin mit. Die vielen Seeadler haben den Lummen und besonders deren Brut mächtig zugesetzt und deren ganzes Sommerprogramm durcheinander gebracht.
Unser Sommerprogramm verläuft dagegen zu unserer vollen Zufriedenheit. Wir baden in klarem Wasser, spazieren auf den Wegen der Schafen auf dem Plateau umher und verbringen einen ruhigen Abend an Deck mit lesen, erzählen, viel lachen und einer traumhaften, lang anhaltenden Dämmerung. Schwedische Sommerferien.
Sonntag, 9. August
Im Laufe des gestrigen Vormittags wurde es recht voll an unserem Anlegesteg auf Stora Karlsö. So beschlossen wir, auch die kleine Karlsinsel, Lilla Karlsö, zu besuchen. Das sei nicht möglich, zu flach, Besucher nicht erwünscht, sagten die Segler an unserem Steg. Probieren wollen wir es trotzdem. So gehen wir um 15.00 Uhr vor dem Steg von Lilla Karlsö zu Anker, lassen das Beiboot zu Wasser und erkunden die Lage. Der Steg wird gründlich abgetaucht, er ist tief genug. Und wir werden schon sehnsüchtig erwartet auf der Insel! Der einzige Inselbewohner Lukas hat lange keinen Besuch gehabt und bittet darum, dass wir anlegen und er uns seine Insel zeigen kann. Schon die Sommer in seiner Kindheit hat er häufig hier verbracht, jetzt bewohnt er die Insel im Sommer. Im Winter wird studiert und Schafe gezüchtet.
Die Inselführung verläuft überaus abwechslungsreich und unterhaltsam. Wir entdecken tiefe Höhlen im Kalkstein, angenehm kühl bei diesem Wetter. Strände und Klippen in der prallen Sonne. Auch Gotlands höchster Raukar steht auf Lilla Karlsö. Der andere höchste Raukar in Lickershamn ist nämlich falsch vermessen. Wohlriechender Absinth gedeiht prächtig auf dieser Insel. Im Bedarfsfall wirkt er auch berauschend. Wir dürfen aber keine Pflanzen, keine Steine und garnis mitnehmen von der Insel. Es sei denn, wir essen die Pflanzen an Ort und Stelle auf, wie die Schafe, am Besten auf allen Vieren. Und beim Rückweg über das Inselplateau (Gotlands zweithöchste Erhebung) thronen wir hoch oben über der windstillen See, mit Blick auf Stora Karlsö und Gotland. Fernab aller anderen Geräusche säuselt der Wind in den Gräsern des baum- und strauchlosen Weidelandes.
Nach dem Abendessen mit Lukas wird der Abend noch lang und wir erfahren viel über die Inseln, die See und die Schweden.
Sonntagmorgen brechen wir frühzeitig nach Klintehamn auf. Dort verlassen uns vier Mitsegler wie geplant und reisen mit dem Bus nach Visby. Wir verholen mittags weiter nach Djupvik, einem alten gotländischen Fiskeläge etwas weiter südlich. Dort verbringen wir den Sonntag mit Ausflügen, Eis essen, Fossilien sammeln und viel schlafen.
Wird eigentlich garnicht mehr gesegelt??
Ja, stimmt schon, seit wir sportlich in den Hafen von Visby segelten, sind wir ausschließlich mit Maschine gefahren. Aber es weht ja auch kein Wind! Donnerstag und Freitag hatten wir schwachen, nicht nutzbaren Südwestwind, jetzt am Wochenende herrscht völlige Flaute, aber ab morgen, da soll für zwei bis drei Tage Ostwind wehen und der soll uns weit voranbringen! Utklippan? Bornholm?
Dienstag, 11. August.
Gestern früh setzten wir vor dem Frühstück alle Segel. 2 Knoten Fahrt, nun gut. Im Laufe des Tages wurde es mehr, in den Abendstunden mussten gar die Topsegel geborgen werden. Heute Morgen in aller Frühe passierten wir die Südspitze Ölands, mittags brachten wir die Petrine auf Utklippan fest. Nach 30 Stunden segeln bei achterlichem Wind! Jetzt sitzen wir in der Abendsonne, k.o. von der Sauna, und genießen unseren letzten schwedischen Hafen.
Mittwoch, 12. August
Wir setzen früh um 6.00 Uhr gleich vor der Hafeneinfahrt von Utklippan alle Segel. Der Wind bleibt sehr moderat, aber stets achterlich. Fair Winds and Following Seas, dazu eine wärmende Sonne auf dem Schiff, mehr können wir uns nicht wünschen. Wir tun es dennoch und wünschen uns einen freien Platz im Hafen von Christiansö. Den bekommen wir zugesagt und dürfen um 19.00 Uhr dort festmachen.
„Christiansö ist eine ehemalige Militäranlage und mit Kasernen, Gefängnissen für Freiheitskämpfer und Verteidigungsanlagen bebaut.“ Das ist Wort für Wort korrekt und dennoch sehr falsch. Christiansö ist ein kleines Wunder auf Hoher See, jeder Quadratmeter eine Idylle, mit vielen liebevoll gestalteten dänischen Häuschen, verwilderten Nutzgärten, Badebuchten, Vogelfelsen, Kegelrobben und atemberaubendem Blick auf Sonnenuntergang und Aufgang. Christiansö ist das Traumziel aller Bornholmsegler. Dieses Land, so wild und schön, und wir dürfen seine Herrlichkeit sehen.
Freitag, 14. August
Gestern früh badeten wir noch auf Christiansö und genossen die einsamen Inseln ohne Besucheransturm. Um 11.00 Uhr legte das tägliche Fahrgastschiff dort an, eine halbe Stunde später setzten wir die Segel. Moderater Wind schob uns bis abends an der Ostküste Bornholms entlang. Keine Wolken am Himmel. Dies trug dann auch zu einem spektakulären Nachterlebnis bei, das wir so auf dieser Reise noch nicht hatten. Noch letzte Woche war „die Nacht“ ja nur eine kurze Dämmerungsphase während der Hundewache. Hier im Süden und kurz vor Herbstbeginn ist um 22.30 Uhr bereits nichts mehr von der Sonne zu sehen. Auch der Mond geht erst sehr spät auf.
So erlebten wir eine Nachtwache, die immer wieder in Jubel ausbrach: „Hast du DAS gesehen!?“ „Boah!!!“ „Noch einer!“. Sie sahen nicht nur tausende von Sternen und die Milchstraße. Es blitzten auch immer wieder die Perseiden quer über den Himmel. Ganze Schauer von Meteoriten sausten übers Firmament bis alle Wünsche gewünscht waren.
Segelei und Schiffsverkehr sorgten derweil nicht für Arbeit. Es ging ruhig voran, mal mit drei, mal mit fünf Knoten Fahrt, immer mit weit aufgefierten Segeln, voraus der Leichtturm Greifswalder Oie in Sicht.
Jetzt schleichen wir im Sonnenschein über den Greifswalder Bodden. Das Landtief ist passiert, bald werden wir in den Ryck einfahren und beim Fangenturm anlegen, wo die Sommerreise 2020 der Petrine vor acht Wochen begann.
Wie immer war es auch ein Start ins Unbekannte. Das suchen wir ja unterwegs, das Neue, das Spontane, das Ungeplante. In diesem Jahr kam die Ungewissheit hinzu, ob wir am Ende überhaupt wieder nach Deutschland zurückkehren dürfen.
Es hat über die optimistischen Erwartungen hinaus alles ganz wunderbar geklappt. Vier tolle Crews mit prima Stimmung. Günstiger Wind, wenn wir ihn brauchten. Herrliche schwedische Sommersonnenurlaubstage und mehr als 1800 unfallfreie Seemeilen. Alle sind gesund geblieben.
Schön war es auf der Petrine, im Coronasommer 2020!
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