Von Nyköbing zur Höga Küste und zurück nach Stockholm
Hier berichtet der Skipper über die zweite Etappe, zum Bericht über die Erste Etappe geht es hier und hier der Bericht von der dritten Etappe!
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Samstag, 11. Juli
Heute viel Regen in Nyköping. Wir machen Rein Schiff, kaufen ein, Bunkern. Ab mittags treffen die Neuen an Bord ein. Und es sind sogar mehr als erwartet! Zum Abendessen versammeln wir uns mit 15 Personen zu „Fliegendem Jakob“ und Flammkuchen. Dann beschäftigen wir uns mit der Schiffssicherheit, teilen die Wachen ein und beschließen: es muss nicht unbedingt nach Haparanda gesegelt werden in den kommenden Wochen. Die Höga Küste, das wäre schön. Ob wir auf die Aalands dürfen?
Montagmorgen, 13. Juli
Wir liegen vor Heckanker und festgebunden an zwei Bäumen im Ranöhamn und beinahe alle erkunden die weitläufige Schäre. Schon am zweiten Tag gibt es Erholungsbedarf! Es begann gestern (etwas zu) gemütlich bei Sonnenschein und Flaute. Wir machten uns mit Schiff und Segeln vertraut, setzten alle Segel und ab 11.00 Uhr konnten wir sie sogar nutzen. Ohne Maschine durchsegelten wir die Engen von Stendörren und Sävösund. Unsere Lieblingsschäre konnten wir diesmal nicht besuchen; der südwestliche Wind war zu günstig. Am frühen Nachmittag türmten sich beeindruckende Wolkenhaufen über dem Festland. Wir liefen bis zu sieben Knoten und bargen erstmal die Topsegel. Nach dem Passieren der Schären bei Landsort verflüchtigte sich der Wind, um dann plötzlich von vorne in die Vorsegel einzufallen. Maschine an, runter mit den Vorsegeln, weg von den Felsen! Das klappte gut. Bald danach kam mäßiger Südostwind auf und wir zogen alle Segel wieder hoch. Um 16.50 Uhr raste plötzlich eine Regenböe auf uns zu. Sofort runter mit den Topsegeln, dem Groß und den Vorsegeln. Während des Segelbergens schoss das Wasser in Lee durch die Speigatten wie aus einem Feuerwehrschlauch. „Wechselnde Winde sind oft wachsende Winde!“, steht unter dem amtlichen schwedischen Seewetterbericht.
Den Rest des Tages motorten wir durch Sonnenschein und Windstille, verdrückten einen ganzen Lachs zum Abendessen und machten um 19.30 Uhr in Ranöhamn fest. Zwei Stunden später zeigte das Wetter ein weiteres Mal, was es so alles kann. Turmhohe Wolken näherten sich vom Festland. Heftige Böen hauten zwischen die vor Anker liegenden Schiffe. Unser Heckanker bestand den Test, der Tag endete friedlich und ohne Schäden.
Heute Morgen ein Bild des Friedens auf Schiff und Land und am Himmel. So wie gestern morgen…
Wir erkunden erstmal die Schäre Ranö.
Dienstag, 14. Juli
Nach ausgiebigem Frühstück mit Blaubeer-Pfannkuchen, Blaubeer Müsli und Blaubeer Obstsalat, geht ein Teil der Mannschaft noch einmal Blaubeeren pflücken. Denn so dicht wie hier sahen wir die Blaubeeren noch nie stehen.
Gestern verbrachten wir einen Vormittag an einer karibischen Badebucht auf der Insel Ranö. Anschließend verzögerte sich das Ablegen wegen einer nassen Manöverböe. Die wetterten wir unter Deck ab und anschließend blieb das Wetter ruhig. Unser erstes Heckanker-Auf-Manöver klappte reibungslos. Beim Segeln mangelte es uns an Wind. Wir probierten es unverdrossen ein paar Stunden bevor wir um 17.00 Uhr an der Nordwestecke der Insel Ornö in einer wunderschönen Bucht zu Anker gingen. Sie heißt bei uns jetzt: die Blaubeerbucht.
Für heute und morgen sind schwache südliche Winde angesagt, von denen bislang nichts zu spüren ist.
Donnerstag, 16. Juli
Heute machen wir Urlaub auf Arholma. Eine Vorzeige- und Bilderbuchschäre am nördlichen Ende des Stockholmer Schärengartens. Wir wandern und radeln über die Insel. Wir haben die Blockhütten Sauna genutzt über Mittag, sind immer wieder ins Wasser gesprungen und dann erschöpft in unsere Kojen gefallen. (Die Sauna hatten wir exklusiv für uns und haben vorher gelüftet und desinfiziert.) Am Nachmittag weckte uns der Duft von frischgebackenem Nusskuchen.
Bereits gestern Abend durften wir in der Abendsonne an der Versorgungspier der Insel grillen. Ein großes Privileg, denn die Ankerbucht ist dicht besetzt.
Gestern und vorgestern verbrachten wir zwei sorglose Segeltage unter Toppsegeln. Von Ornö 12 Stunden bis Rödlöga, von dort gestern 5 Stunden bis Arholma. Keine weiteren Böenwalzen oder andere unschöne Phänomene lagen auf unserem Weg. Den Vormittag auf Rödlöga nutzten wir für eine Schärenwanderung durch den Blaubeerwald zum Kaufmannsladen. Es ist der Kaufmannsladen von Nisse Granquist aus „Ferien auf Saltkrokan“. Unsere Blaubeervorräte reichen inzwischen für tägliche Blaubeerpfannkuchen und Obstsalat und Blaubeereis.
Heute Abend wollen wir in der Dämmerung über Arholma wandern, morgen früh unseren Trinkwasservorrat beim Kaufmannsladen auffüllen und dann….
Für die kommenden Tage ist Südwind angesagt. Wie weit wird er uns tragen? Bis nach Töre, in den nördlichsten Hafen der Ostsee? Das wären mehr als 400 Seemeilen. Bis zur Högaküste, etwa 200 Seemeilen entfernt? Oder bis zu den Alandinseln, die wir von Arholma aus bereits sehen können? Nach Finnland dürfen wir jedenfalls einreisen und das Leben zwischen Blaubeeren, Nusskuchen und Sauna gefällt uns außerordentlich gut.
Sonntag, 19. Juli
Morgens um 5.00 Uhr machen wir an einer senkrechten Felswand im ehemaligen Fischerdörfchen Grisslan fest. Wir sind an der Höga Küste angekommen. Vorgestern setzten wir bei Arholma alle Segel, heute Morgen bargen wir sie wieder. Dazwischen 40 Stunden segeln im Sonnenschein und in mitternächtlicher Dämmerung bei achterlichem Wind. Jetzt ernten wir Blaubeeren und Walderdbeeren und diskutieren Rezepte.
Hätte der Wind für die nördlichste Spitze der Ostsee gereicht? Wahrscheinlich, aber uns ist es so lieber. Vom nördlichsten Hafen wären es 450 Seemeilen Rückweg nach Stockholm gewesen. Weiter als von Stockholm nach Kiel. Die Ostsee ist groß…
An dieser Stelle ist einmal ein Lob für das Solarpanel angebracht. Seit einer Woche kommen wir ohne Landstrom und fast ohne Maschinennutzung zurecht. Mit Eismaschine, Kühlschrank, Küchengeräten, Handyladen und allem. Das Solarpanel macht’s möglich. Auch die eine Woche Liegezeit bei Sävö wäre ohne das Panel nicht möglich gewesen.
Dienstag, 21. Juli
Nach zwei schönen Urlaubstagen in Grisslan und auf Trysunda legen wir heute Vormittag für einen Lebensmitteleinkauf in Köpmanholmen an. Das gestaltet sich etwas schwieriger wegen frischem Nordwestwind und stark frequentierter Pier für Fähren. Aber schließlich sind doch zwei Radler auf dem Weg zum Coop. Die Obst- und Gemüsevorräte sind auf Null, abgesehen von kiloweise Blaubeeren.
In den nächsten Tagen wird sich das Wetter verschlechtern. Schon jetzt nieselt es gelegentlich, die Sonne versteckt sich, das Thermometer zeigt 13 Grad und es weht ein frischer Nordwestwind. Wir würden ja gerne noch an der Höga Küste bleiben, aber die kommenden drei Tage müssen wir nutzen. Starker achterlicher Wind soll uns zu den Alandinseln bringen. Da trifft es sich gut, dass wir uns gestern noch einmal so richtig erholt haben beim Wandern, Wäschewaschen, Museumsbesuch und Saunieren in Trysunda.
Donnerstag, 23. Juli
Am Dienstag hatten wir beschlossen, nicht den direkten Weg zu den Alandinseln zu segeln, sondern den Schutz der schwedischen Küste zu nutzen. Schließlich waren Regen, Nordwest Stärke 7 und entsprechende Wellen angekündigt. Außerdem wäre es uns so möglich, die Nacht im Hafen oder am Ankerplatz zu verbringen. Beruhigende Aussichten, denn unsere drei Wachen sind unterbesetzt.
Am Dienstag beendeten wir den Segeltag um 22.30 in einer winzigkleinen Bucht südlich Härnösand. Morgens um 6.00 Uhr ging es schon wieder Anker auf. Wir setzten gereffte Segel und flitzten mit bis zu 8 Knoten südwärts, immer in Sichtweite und im Schutz der Küste, immer in Begleitung der Sonne. Um 20.00 machten wir auf der großen Schäre Storjungfru südöstlich von Söderhamn fest. Bald war klar, dass wir den Abend in der Sauna und den kommenden Morgen auf der Insel verbringen wollen. Von dieser Idylle können wir unmöglich vor dem Frühstück abhauen.
So starteten wir heute erst um 11.00 nach sehr schöner Inselwanderung durch einen zaubermoosigen Trollwald. Am Nachmittag verließ uns vor Gävle der Wind für zwei Stunden. Der Abend sah uns dann ungerefft mit moderater Geschwindigkeit auf Südostkurs im Öregrundsgrepen zwischen der Insel Grasö und dem Atomkraftwerk Forsmark. Kurz vor Mitternacht machen wir in Öregrund im Hafen fest. Hier im Süden wird es richtig dunkel! Morgen soll der Wind uns zu den Alandinseln bringen.
Samstag, 25. Juli
Gestern starteten wir früh um 6.00 in Öregrund mit günstigem Wind für die Alandinseln. Nach gut 2 Stunden hatten wir die letzten schwedischen Schären achteraus und voraus bereits die ersten aländischen Inseln in Sicht. Im Laufe des Nachmittags flaute es ab, aber der Wind reichte bis kurz vor Mariehamn. Dort machten wir um 16.00 im Westhafen an einer gemütlichen Pier in bewaldeter Umgebung fest.
Nach vier Tagen mit strammem Segelprogramm wollen wir es nun ruhiger angehen lassen.
So verbrachten wir den Samstagvormittag im Seefahrtsmuseum und auf der Viermastbark Pommern, die hier das Hafenbild bestimmt. Einige erkundeten anschließend mit Fahrrad oder Auto die Insel, andere vergnügten sich in der kleinen Stadt. Die Sauna und die Abendsonne machen uns die Entscheidung leicht: Erst morgen am Sonntag wollen wir weitersegeln. Zu irgendeiner kleinen Alandschäre. Den Abend verbringen wir in gemütlicher Runde mit Gesang und Werwolfspielen.
Montag, 27. Juli
Die Petrine liegt mit vier Leinen fest an einem Felsen im Bomarsund und es regnet. Jetzt wird uns klar, was wir bislang für ein Glück hatten. Fast immer schien die Sonne und trotz angekündigtem Regen sind wir stets trocken geblieben.
Wir merken aber auch, was wir verpasst haben: der sommerliche Geruch von feuchtem Wald und Heidelandschaft, das beruhigende Rauschen des Regens beim Erwachen in der Koje. Es geht auch viel leichter ins Wasser, wenn man eh bereits nass ist! Und hier im Bomarsund ist das Wasser aus unerfindlichen Gründen so warm wie bislang noch nirgends auf dieser Reise.
Von unserem Liegeplatz aus können wir kein einziges Haus sehen, kein Licht brannte in der Nacht, nur ein Teil der Festungsruinen ist über den Baumwipfeln sichtbar. Dazu gestern im Sonnenschein die roten Felsen, das Grün der Pflanzen und das blaue Wasser. Heute dagegen liegt ein Grauschleier vor allen Farben. Das können wir noch bis zum Mittag genießen, dann wird die Sonne voraussichtlich wieder scheinen.
Gestern sind wir übrigens sehr schön gesegelt, 20 Meilen von Mariehamn bis hierher durch die Schären. Zunächst gerefft und mit Seegang im Süden des Archipels, später dann ungerefft mit vielen Halsen und Begegnungen mit Riesenfähren in den engen Fahrwassern.
Heute Mittag geht es weiter zum Lemströmkanal. Heute Abend wollen wir grillen.
Mittwoch, 29. Juli
Wir sind wieder in Schweden. Gestern Abend, kurz vor Mitternacht, gingen wir inmitten von Blitzen und Donner in einer kleinen Bucht südlich von Radmansö zu Anker. Als das Gewitter weitergezogen war, kam ein Motorboot herbeigefahren und fragte, ob wir alles gut überstanden hätten. Die kriegen heute ein Geschenkpaket gebracht.
Wir haben nicht nur das abschließende Gewitter gut überstanden, auch die Überfahrt war ein Vergnügen bei moderater Backstagsbrise. Am Abend setzte Regen ein und es wurde ein wenig böiger. Wir sahen nicht EIN Segel auf dem 15 Meilen langen Weg vom ersten schwedischen Leuchtturm Tjärven zu unserem Ankerplatz!
Morgens hatten wir noch einen Zwischenstopp in Mariehamns Museumshafen eingelegt, zum Einkaufen und Diesel bunkern. Dann nahmen wir Abschied von den Åland-Inseln. Vielleicht kommen wir nächstes Jahr schon wieder? 2021 ist das Tall-Ships-Race hier zu Gast und die Inseln feiern den 100. Jahrestag ihrer Autonomie.
Am Montagmorgen lagen wir ja noch in der Schärenidylle im Bomarsund, am Montagabend grillten wir am Lemströmkanal auf einem perfekt gepflegten Rasen in parkähnlicher Umgebung. Ein sonniger Tag mit viel Baden, zu wenig Wind und einem schönen Abschluss.
Heute wollen wir den mäßigen Südwestwind nutzen, um ein schönes Plätzchen für den morgigen Feiertag zu finden.
Samstag, 1. August.
Der Reihe nach. Am Donnerstag lagen wir zunächst träge und faul den ganzen Vormittag in unserer schönen Anker- und Badebucht vor der Schäre Sundholmen. Am Mittwoch vor Mitternacht konnten wir bei Gewitter bis in die Bucht segeln mit Nordostwind. Heute weht Südwest und wir können – wieder ohne Maschine – Anker auf gehen und zügig nach Arholma segeln. Arholma hat sich der Käpt’n für seinen Geburtstag gewünscht.
Der Geburtstag beginnt am Freitagmorgen mit Sonnenschein, einem über die Toppen geflaggten Schiff, mit Blumenstrauß und Gesang und Schatzsuche. Am Vormittag nutzen wir zwei Stunden lang die rustikale Hafensauna. Mit Steg zum Inswasserspringen! Ein wunderschöner Geburtstag so weit. Leider kann der Tag das Niveau nicht ganz halten, denn am Nachmittag beginnt es in Strömen zu regnen. Wir lassen uns davon nicht den Spaß verderben. Statt einem Grillfest mit reichlich Bier gibt es heute Pickert, vom Käpt’n gebacken. Und reichlich Bier natürlich auch. Dazu wird vorgelesen aus dem neuen Petrine-Geschichten- Kochbuch, zur Gitarre gesungen, erzählt und gelacht bis Mitternacht.
Am Freitag segeln wir sofort nach dem Frühstück los. Manchmal fliegen wir mit acht knoten dahin, manchmal treiben wir mit 2 knoten zwischen den Felsen, das Luk zum Maschinenraum steht bereits offen. Aber wir brauchen die Maschine nicht. Wir passieren den großen Fährhafen Kapellskär, Astrid Lindgrens Schärenhaus in Furusund, die Festung Vaxholm und eine Unzahl von wunderschönen Sommerhäusern auf felsigen Inselchen im Sonnenschein. Um 20.00 Uhr nehmen wir unmittelbar vor Gamla Stan, der Stockholmer Altstadt, die Toppsegel weg und machen kurze Zeit später vor dem Vasamuseum fest.
Hinter uns liegen drei großartige Segelwochen mit toller Stimmung und Gemeinschaft an Bord, viel günstigem Wind, viel Sonnenschein, kaum Regen und 760 zurückgelegten Seemeilen.
Früh am Samstag reisen die meisten Mitsegler heim. Im Laufe des Tages kommt die neue Crew an Bord. Die Sonne scheint, kaum ein Lüftchen regt sich und so ist es auch für die kommenden Tage vorhergesagt…
Hier endet der Bericht über die zweite Etappe. Weiter geht es mit der dritten Etappe zurück nach Greifswald.
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