Samstag, den 13. Juli 2019
Die Petrine liegt in Norddeich und den ganzen Tag werden Lebensmittel im Schiff verstaut. Wir wollen auf große Reise gehen , Schottland und die Shetlandinseln sind das Ziel! Vorläufig werden wir noch in geschützten Gewässern bleiben, denn der frische Nordwestwind lässt eine Überfahrt nach Schottland in den nächsten Tagen nicht zu.
Bis 17.00 Uhr sind alle Mitsegler an Bord eingetroffen. Wir machen uns miteinander und mit dem Schiff vertraut, ordnen weiter das Chaos aus Gepäck und Lebensmitteln und schmieden Pläne für die kommenden Tage im ostfriesischen Wattenmeer. Norderney, Juist, Borkum, das sind schöne Inseln und jeden Tag segeln wir einen Schlag und üben für diverse Notfälle, die dann hoffentlich nicht eintreten werden.
Sonntag, den 14. Juli 2019
Zur Hochwasserzeit machen wir uns auf den Weg nach Norderney. Es weht der angekündigte Nordwest und wir nutzen die Überfahrt für Segeleinweisungen. Setzen, Reffen, Bergen, einpacken. Die Barre vor dem Seegatt zwischen Juist und Norderney ist hoch überspült und die Wellen laufen hoch aufs Watt und brechen sich dort. Wir sind beeindruckt, aber nicht erschreckt, denn wir wollten ja sowieso bloß nach Norderney.Dort verbringen wir den Nachmittag und Abend am Strand und in der Stadt.Der Seewetterbericht bleibt dabei: ruhige See und günstige Winde ab Mittwoch.
Montag, 15. Juli 2019
Ab 14.30 Uhr segeln wir die Osterems aufwärts, dann in der Bantsbalje und um 17.20 Uhr fällt der Anker vor der Schleuse des Leysiels. Nach dem Abendessen werden wir durchgeschleust und segeln in den Abendstunden die Ley aufwärts nach Greetsiel. Nur die ganz unverdrossenen haben noch genug Unternehmungslust, um den sehenswerten Ort zu erkunden.
Der Seewetterbericht bleibt dabei: ruhige See und günstige Winde ab Mittwoch.
Dienstag, 16. Juli 2019
Noch vor 9.00 Uhr verlassen wir den schönen Hafen von Greetsiel, die Tide will es so. Leider konnten wir keine Krabben kaufen. Auf See empfängt uns Aprilwetter und der bereits bekannte Nordwestwind. Aber seine Tage sind gezählt! Heute nutzen wir ihn um über die Osterems zur Alten Ems zu segeln. Dort kreuzen wir dicht bei den holländischen Industrieanlagen und Kraftwerken und perfektionieren unsere Segelkenntnisse. Um 16.00 Uhr machen wir auf Borkum fest. Kurz nach uns läuft ein Greetsieler Krabbenkutter ein und wir füllen einen 12 Liter Topf mit frisch gefangenen und gekochten Krabben. Abends schläft der Wind ein….Und der Seewetterbericht bleibt dabei: ruhige See und günstiger Wind ab Mittwoch.
Mittwoch, 17. Juli 2019
Als wir gegen 13.00 Uhr den Hafen von Borkum verlassen liegt die Ems vor uns wie frisch gebügelt. Die Abgasfahne des Kraftwerks in Eemshaven zeigt nicht mehr wie im Strich nach Südosten, sie räkelt sich gewunden de aller Größe zum Teil mit sekundenlangm Himmel entgegen. Bei uns an Bord ist alles wohl, die Wachroutine ist angelaufen mit Krabben Rührei, Kuchen backen, Ruder gehen, Maschinenrunden und Takelarbeiten. Vor uns liegen drei bis fünf Tage auf der Nordsee, laut Vorhersage mit ruhiger See und 2 bis 5 Windstärken.
Hierzu schreibt ein ehemalige Mitsegler:
„Na, dann kommt mal gut über die Nordsee
Ich denke immer noch gerne an die erste Querung: „Segeln unter leuchtendem Himmelszelt, immer wieder zusätzlich aufgehellt durch wahre Massen von Sternschnuppen aller Größen mit zum Teil sekundenlang nachglühendem Schweif. Dazu ein wenig Meeresleuchten, punktuell, dann jedoch sehr hell – Feuerzauber von oben und unten, eine herrliche Nacht“ schrieb ich damals in mein Tagebuch.
Und auch die rauschende Fahrt 2012 bleibt unvergesslich. Im Schiffstagebuch war damals zu lesen: „Nicht oft sieht man die See derart aufgewühlt vom Deck eines Segelbootes, erst recht nicht von dem eines Plattbodenschiffes.“
Also, in dem Sinne eine gute Reise und liebe Grüße – Tom“
Dazu ein Foto von der Überfahrt 2012:
Sonntag, den 21. Juli 2019
Schön war’s! Meistens gesegelt, manchmal zu wenig Wind, dann Maschine. Wellen nie höher als 1 Meter. Schöne tiefblaue See, oft Sonne, meistens trocken, nachts schöner Vollmond als Begleitung, ab und zu ein Schiff in der Ferne. Kein Leiden an Bord.
Aber dann nimmt Freitagabend zunächst die Welle auf bis zu 2 Meter zu, später dann auch der Wind. Über 7 Knoten sind wir schnell. Wir bergen Topsegel, Flieger, Klüver, reffen das Groß und bergen den Besan. Erst jetzt vermindert sich die Fahrt auf 5 bis 6 Knoten und wir sind wieder sicher unterwegs. Allerdings werden wir auch ordentlich durchgeschüttelt.
Samstagmorgens wird es wieder ruhiger, ein Wal begleitet für ein halbes Stündchen das grüne Schiff. Am Nachmittag schläft der Wind ein und es regnet kräftig. Als es wieder aufklart ist an Backbord Land in Sicht. Rattray Head, Schottland. Uns sind weiterhin südliche Winde vorhergesagt und so fahren wir weiter zu den Orkneyinseln.
In der Nacht motoren wir längere Zeit durch die Flaute. Sonntagmorgen früh können wir wieder alle Segel setzen. Mittags kommen die Orkneyinseln in Sicht. Es wird ein ruhiger, gemütlicher Segeltag, der letzte unserer gelungenen Nordseeüberquerung. Nach dem Abendessen nimmt der Wind zu und die Tide begünstigt unser Einlaufen zwischen die Inseln. Wir wollen gegen 22.00 Uhr in Kirkwall anlegen. Nach viereinhalb Tagen, in denen wir über 500 Seemeilen zurücklegten.
Montag, 22 Juli
Heute ist der Himmel bedeckt in Kirkwall und meistens tropft es ein wenig aus ihm heraus. Einige von uns verholen sich ins Schwimmbad, andere schaffen es bis zur Hafendusche oder es reicht die Dusche an Bord. Auch die umliegenden Hügel werden von den unternehmungslustigeren Leuten bestiegen, zwei wandern bis Scapa Flow und geraten dort in eine Whiskeydestillerie. Auch locken das Städtchen, seine Geschäfte und Gastwirtschaften.
Vor allem erholen wir uns heute von den viereinhalb Tagen auf der Nordsee. Und bereiten uns auf weitere Überfahrten vor.
Nachdem wir von Seekrankheit verschont blieben, geht unpassenderweise ein Erkältungsvirus an Bord um, der den Verbrauch von Taschentüchern antreibt und einige sogar für einen Tag fiebrig in die Koje zwingt.
Dienstag, 23. Juli
Früh morgens um 5.00 verlassen wir den gastlichen Hafen von Kirkwall. Unser Ziel sind die nördlichen Orkneyinseln und jetzt ist die Tide günstig. Gleich vor den Molen können wir alle Segel setzen und bei mäßigem achterlichem Wind kommen wir mal gemütlich und mal mit rauschender Fahrt voran. Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten sind weniger einem wechselhaften Wind geschuldet, sondern eher den beeindruckenden Gezeitenströmen, die uns hinter jeder Insel anders voranbringen. Oder seitwärts versetzen. Oder durchschaukeln. Wenn das hier bei drei Windstärken so zugeht, wie würde das Gewässer wohl bei Starkwind aussehen?
Gegen 11.00 Uhr haben wir North Ronaldsay erreicht. Dies ist die entlegenste der nördlichen Inseln und hat im übrigen auch keinen Hafen. Außerdem passen Wind und Tide hervorragend für eine Überfahrt nach Fair Isle, der einsamsten aller Nordseeinseln.
Fair Isle von Bord der Petrine aus
Um 12.30 kommt Ward Hill, der 216 Meter hohe Berg der Insel Steuerbord voraus in Sicht. 60 Einwohner, einsamst gelegen, Vogelparadies, berühmte Strickpullover, das sind die Stichworte aus dem Reiseführer. Dies bereitet uns nicht auf den Anblick vor, der sich uns bei der Annäherung und der Passage der wildzerklüfteten Steilküste bietet. Dies muss der Vogelfelsen sein, der in Lieder und Gedichten besungen wird. Wir sehen ihn bei strahlendem Sonnenschein. Die Felsen sind teilweise komplett weiß von brütenden Vögel und um uns herum stürzen sich Basstölpel und Papageientaucher jagend in die tiefblaue See. Euphorie breitet sich an Bord aus.
Als wir um 17.40 Uhr im Nord Haven auf Fair Isle festmachen, stürzen sich beinahe alle jubelnd und kreischend ins 12 Grad kalte Wasser. Kristallklar, Sichtweite locker 20 Meter, auch die Kegelrobben im Hafenbecken können uns nicht schrecken.
In der Abendsonne sitzen wir auf der Pier und lassen es uns bei gegrilltem und gekühltem gutgehen. Nicht nur die Insel, auch ihre Bewohner haben uns überaus freundlich empfangen.
Manch einer steigt noch auf die umliegenden grünen Hügel, um länger die Sonne und den unfassbaren Ausblick zu genießen. Ein Tag fürs ganze Leben.
Mittwoch, 24. Juli
Gleich nach dem Frühstück beginnen die Kinder, mit dem Beiboot die Felsenhöhlen in der Umgebung des Hafens zu erkunden. In einigen sollen Kegelrobben liegen, aber heute werden die Forscher nur von Ferne aus dem Wasser beäugt.
Im Laufe des Vormittags setzt ein ergiebiger Regen ein, der uns aber nicht von einer Inselwanderung abhalten kann. In der Community Hall, im Museum, in der Strickwerkstatt und im Lebensmittelladen, der auch als Post Office fungiert, werden wir freundlich empfangen. Die Insulaner sind stets zu einem Schwätzchen aufgelegt und freuen sich über Begegnungen und neue Gesichter. Die atemberaubende Landschaft verbirgt sich leider hinter Wolken und Nebel und lässt sich nur in der unmittelbaren Umgebung betrachten.
Am Nachmittag kommen dann die höheren Regionen, der Sheep Rock, der Malcolm’s Head und der Ward Hill in Sicht. Die Sonne scheint und immer wieder sind die Papageientaucher das Ziel kleiner Ausflüge. Keine zehn Minuten vom Schiff kann man oben über den Felswänden sitzen und die kleinen Vögel kommen bis auf Armlänge heran, starten und landen, verschwinden mit kleinen Fischchen im Schnabel in ihren Erdhöhlen. Ganze Schwärme von Papageientauchern schwimmen unten auf den Wellen, stürzen sich hinein und jagen mit den Basstölpeln, Seeschwalben und Möwen. Wir würden gerne länger hier bleiben, aber morgen ist günstiger Wind für die Westküste der Shetlands angekündigt.
Der Sonnenuntergang sieht die ganze Petrinecrew verkleidet tanzend und spielend auf der Pier. Im Salon wird gesungen mit Saxophon und Gitarrenbegleitung und die schönsten „schottischen“ Kostüme werden mit Preisen belohnt.
Donnerstag, 25. Juli
Um 6.00 locken bereits wieder die Papageientaucher. Der Inselversorger „The Good Sheppard“ verlässt den Hafen mit ein paar Passagieren und einem Auto an Deck mit Ziel Lerwick. Um 10.00 Uhr wollen wir ihm folgen. Unser Ziel ist Scalloway an der Westküste von Mainland, Shetlands. Auch wenn eigentlich niemand von uns Fair Isle verlassen will.
Wir können die ganze Zeit günstigen Wind und günstige Tide nutzen. Die Westküste von Mainland ist baumlos, beeindruckend hoch und zeigt sich uns heute im Sonnenschein. Am Nachmittag nimmt der Wind in der Ansteuerung auf Scalloway kontinuierlich zu und beim Festmachen stürmt es. Wir erfahren später, dass dies ein lokales Phänomen ist: bei Südostwind stürzt der Wind mit Sturmstärke von den Hügeln. Anderswo weht lediglich moderater Wind. Sonst könnten uns hier auch gravierende Bedenken wegen unserer Weiterreise kommen.
Aber es genügt, sich ins schöne Dorf zu verholen. Dort säuselt eine maßvolle Brise und die Sonne scheint. Dennoch werden die Pubs einigen von uns zum Verhängnis.
Freitag, 26. Juli
Heute wird die Insel von der Landseite erkundet. Stündlich fahren Busse nach Lerwick, Hauptstadt der Shetlands, wo wir allerhand nützliche Dinge fürs Schiff und schöne Dinge für die Daheimgebliebenen besorgen können. Lerwick bezaubert mit seiner schönen Lage am Sund, einer malerischen Altstadt und vielen schönen Häusern ringsum. Über allem thront ein guterhalteneres Fort, das nie einen Schuss in feindlicher Absicht abgefeuert hat. Wären wir besser nach Lerwick gesegelt? Vor allem in Anbetracht des permanenten Sturmes am Liegeplatz in Scallowaywäre das wohlmöglich schöner gewesen. Aber uns wäre die Busreise über Land entgangen. Und vor allem können wir ab morgen die Westküste der Shetlands erkunden! Dies wäre von Lerwick aus nicht möglich gewesen.
Samstag, 27. Juli
Nach Frühstück und Klar Schiff legen wir um 9.00 Uhr ab. Bei Sonnenschein und Ostwind wollen wir an der Westküste nordwärts segeln. Der lokale „Scallowaysturm“ nimmt in der Ansteuerung kontinuierlich ab. Bald sind alle Segel gesetzt und wir erleben heute eine spektakuläre Küste bei feinstem Sonnenschein. Am Mittag kreuzen wir mit zwei Wenden durch den engen Sound of Papa. Nordwärts vor dem Wind überqueren wir die St. Magnus Bay und die Küste von Esha Ness begeistert uns endgültig. Schwarze und rote Felsen, vom Atlantik ausgewaschen, darüber grünes Schafland. Vor der Küste stehen immer wieder „Stacks“.
Die Lange Anna von Helgoland hätte hier viel Gesellschaft.Nachmittags überfällt uns eine heftige Böe mit kalter Luft, die wohl von Shetlands höchstem Berg, dem Rona Hill (450m), heruntergefallen ist. Wir reffen das Groß und nehmen den Flieger weg. Dann ist auch schon alles vorbei.In der Abendsonne kreuzen wir mit kleiner Fahrt einem vielversprechenden Ankerplatz entgegen: Sand Voe, nahe dem Point of Fethaland, der Nordspitze von Mainland.
Über 50 Seemeilen und 10 Stunden feinstes Segeln haben wir heute erlebt.Um 19.20 Uhr fällt der Anker.
Sonntag, 28. Juli
Strahlender Sonnenschein lädt schon vor dem Frühstück zum Sprung ins kristallklare, klare Wasser der Bucht ein. Später werden beinahe alle vom Beiboot an verschiedenen Stellen an Land gesetzt und spazieren zwischen Heidekräutern, Felsen und Schafen über die Hügel. Jede und jeder könnte hier einen Strand für sich alleine finden, oft ohne Blick auf ein bewohntes Haus. Wir baden in einem ausgekolkten Bachlauf und lassen uns den Rücken von einem Wasserfall massieren. Früher stand hier wohl eine Mühle, kurz oberhalb des Strandes. Getreide und Korn wurden wahrscheinlich mit Booten transportiert.
Diese Landschaft ist nicht nur schön anzusehen, sie riecht auch betörend und wenn die Augen geschlossen sind, hören wir das Wasser rauschen, säuseln und gluckern und die Vögel kreischen und trillern und die Wellen klatschen und schäumen. Was für ein Ort.
An Bord wird unterdessen gesungen, in Sonne und Wasser gebadet, geschwatzt und geruht. Am frühen Nachmittag gehen wir Anker auf. Eine besonders spektakuläre Höhle an der Einfahrt zum Sand Voe soll mit dem Beiboot erkundet werden. Die dort brütenden Alkvögel bringen uns schnell und überzeugend davon ab.Im Yell Sound zwischen den Inseln Mainland und Yell schiebt uns ein rauschender Gezeitenstrom südwärts; der Wind macht heute Pause. Zwischen den Inseln entstehen richtige Strudel, schwimmen könnte man hier wohl kaum. Endlich fällt der Anker vor dem West Lunna Voe.
Können wir an der historischen Pier festmachen, wo einst vor 75 Jahren norwegische Fischer zu unglaublich waghalsigen Fahrten über die winterliche Nordsee aufbrachen? Oberhalb der Pier sehen wir das Lunna House, einst die Basis für den „Shetland Bus“, wie das geheime Unternehmen der britische Armee und norwegischer Fischer genannt wird.
Um 19.00 Uhr machen wir nach gründlicher Erkundung an der Pier fest und schon bald kommen Leute aus den umliegenden Häusern herbei und wundern sich über den ungewöhnlichen Besuch.
Helen, jetzige Bewohnerin des Lunna House, erzählt uns von eisenzeitlichen Gräbern, Langhäusern der Wikinger, Aussichtstürmen der Landlords, der ältesten Kirche Schottlands, der frisch verlegten Ölpipeline, den Robben und Ottern in der Bucht und dazu geht irgendwann die Sonne in prächtigstem Farbenspiel unter. Schon wieder wollen wir nicht mehr hier weg.
Montag, 29. Juli
Den Vormittag verbringen wir auf der Lunna Halbinsel. Landschaftlich einmalig schön, reich an Kulturspuren, freundliche Leute, die das Schiff fotografieren, Seehunde räkeln sich auf den Felsen in der Bucht. Schweizer Dauercamper wissen auch von Ottern zu berichten. Außerdem ist es DIE Bucht, DAS Haus und genau DIE Pier, von der aus die norwegischen Fischer zu ihren heldenhaften Fahrten aufbrachen. Man lese David Howarth „Der Shetland Bus“.
Mittags wird noch einmal die Bucht ausgelotet, denn wir verlassen den schönen Ort bei Niedrigwasser (und hinein war es bei Hochwasser schon knapp genug…). Wir finden die tiefe Rinne, setzen die Segel und es geht in voller Fahrt an der Lunna Halbinsel entlang gen Nordosten. Nach einer Stunde müssen wir den Ostausgang des Yell Sound queren. Starker Gezeitenstrom von seitwärts, nachlassender Wind und mittlerweile dichter Nebel. Alles nicht so schlimm, denn wir werden ein halbes Stündchen von einem Minkwal begleitet, der immer wieder schnaubend dicht am Schiff auftaucht und sich an unserer Gesellschaft erfreut. Wir freuen uns ebenfalls. Liegt es daran, dass wir heute konzentriert Ausguck gehen? Immer wieder sehen wir im Nebel Wale, wenn auch nicht so dicht, wie „unseren“ Minkwal. Papageientaucher, Basstölpel, Lummen, Seehunde und Kegelrobben sollen an dieser Stelle auch noch einmal erwähnt werden, auch wenn sie mittlerweile gewohnter Anblick sind.
Schließlich ist nördlich der Insel Fetlar Schluss mit dem Wind und wir motoren mit Radaruntestützung durch den dichten Nebel östlich der Insel Unst nach Baltasound, zum nördlichsten Hafen des Vereinten Königreichs. Schön soll es hier sein, aber wir sehen mit Mühe das Ende der Pier. Hafenmeister Ian MacKay will erstens kein Geld von uns und versorgt uns zweitens mit selbstgezeichneten Landkarten seiner Insel und einem kleinen schriftlichen geschichtlichen Überblick.
Im Gegenzug versprechen wir gern, für ein Kreuzfahrtschiff zu verholen und dessen Leinen anzunehmen, denn Ian hat noch ein paar andere Jobs in der Inselökonomie.
Dienstag, 30. Juli
Der nebelige Morgen gestattet so gerade einen Blick zu den Mastspitzen der Petrine, die heute wegen des hohen Feiertages über die Toppen geflaggt ist. Der Käpt’n hat Geburtstag und entsprechend beginnt der Tag mit Hefezopf, Kuchen, Gesang und Umarmungen im geschmückten Salon.
Der Mittag findet die meisten von uns in Gruppen wandernd auf der Insel. Letztere ist mittlerweile auch wieder einigermaßen zu sehen, denn der Nebel lichtet sich. Je nach Neigung besichtigen wir die Destillerie, besuchen das Schifffahrtsmuseum, speisen in Victorias Vintage Tearoom oder spielen Squash im Unst Leisure Center, dessen Schwimmbad leider geschlossen ist.
Am Abend bereiten wir zwei stattliche Lachse zu, die Sally, Chefin der Autovermietung und Lieferantin unseres Obst- und Gemüsevorrats, bei den örtlichen Fischzuchten für uns losgeeist hat. Gestern in Lunna waren wir noch gescheitert beim Versuch, Lachs auf einer Fischfarm zu erwerben. „Depends on who you ask“, weiß Sally.
Wir genießen den Abend in der Sonne. Letzter Abend auf den Shetlands?
Mittwoch, 31. Juli
Nach dem Frühstück weht ein Wirbelwind über das Schiff. Deck schrubben, Küche aufklaren, Salon wischen, Seekarten sortieren, Wassertank befüllen, Maschine durchchecken, Rigg überprüfen. Wir schlagen um von Feiermodus auf Seefahrt. Die Vorhersagen versprechen für die Überfahrt nach Norwegen erst Flaute, dann mäßigen Nordwind. Schweres Wetter ist weit und breit nicht in Sicht, aber Diesel werden wir brauchen. 160 Seemeilen sind es bis zu den nächsten norwegischen Inseln. Nach dem Mittagessen wollen wir ablegen.
Freitag, 2. August
Oh. Das hatten wir uns anders vorgestellt. Als wir am Mittwoch um 13.00 im Baltasound ablegten, bei Windstille und Nebel, da hatten wir mit intensiver Maschinenutzung und ruhiger See gerechnet. Stattdessen stand auf beiden Seiten des North Channel, der uns vom Baltasound auf die Hohe See führen soll, weiß schäumende Brandung! Na gut, in der Mitte ist es tief und die Wellen, das wird wohl so ein lokales Gezeitenphänomen sein.
Augen auf und durch! Mit zunehmender Entfernung von der Insel Unst nimmt dann aber leider auch die Welle zu. Hier war doch drei Tage Flaute! Da hinten saßen wir gestern in Victorias Vintage Tearoom und guckten auf den spiegelglatten Ententeich! Jetzt rollt hier eine beeindruckende Düngung von bis zu drei Metern Höhe aus Norden heran. Zum Glück kommt bald auch Wind aus Süd und wir können Segel setzen. Ab 15.00 sind wir segelnd unterwegs, woran sich allerdings die meisten nicht recht erfreuen können.
Das Abendessen wird eine exklusive Veranstaltung im kleinen Kreis. Auch die Nacht sieht nur halbe Wachen an Deck und im Salon ist auch nichts los. Froh ist, wer schlafen kann.
Unterdessen steuern die Wachen uns über eine hell erleuchtete Nordsee. Hell erleuchtet? Mond und Sterne? Nordlicht?? Nein, Ölbohrinseln weisen uns den Weg, manchmal sehen wir ein Dutzend gleichzeitig. Ein Industriegebiet auf Hoher See.
In den Morgenstunden des Donnerstags haben wir etwa die Hälfte der Überfahrt zurückgelegt und sind nordwärts vom direkten Weg abgekommen. Der Wind schläft ein, die Dünung rollt weiter. Wir tuckern nach Osten zwischen den Bohrinseln. Einmal sehen wir eine Gruppe Wale, 10 bis 20 Tiere, auf Gegenkurs in 200 Metern Entfernung durchziehen.
Am Nachmittag lässt die Dünung nach und der angekündigte Nordwind setzt ein. Ab 17.00 können wir wieder segeln und jetzt können es auch endlich alle genießen. Wir segeln durch die kurze Nacht, jetzt bereits in Sichtweite des westlichsten norwegischen Leuchtturms auf der Insel Utvaer. Die See ist ruhig.
Um 6.00 morgens segeln wir mit Kurs Südsüdost im Fedjefjord. Wir wollen noch einen Zwischenstopp einlegen und heute Abend in Bergen festmachen.
Zunächst segeln wir noch ein Weilchen durch Fjorde und Sunde bis der Wind uns verlässt. Über Mittag legen wir in Lygra an, einem Anleger in schönster Landschaft, umgeben von warmem Wasser zum Baden. Davon machen wir reichlich Gebrauch, es werden richtige entspannte Urlaubsstunden bei strahlendem Sonnenschein. Ab 15.00 Uhr mahnt der günstige Gezeitenstrom zum Ablegen. Wir tuckern durch den Radsund und den besonders engen Alverstraumen, wir segeln noch ein wenig auf dem Byfjord in Sichtweite der großen Stadt. Um 20.45 Uhr machen wir in Bergen in der Nähe der Tyske Brygge fest, nach 1020 Seemeilen und unvergesslichen drei Wochen in toller Gemeinschaft. Wir sitzen noch lange an Deck und haben viel zu erzählen.
Manches erschließt sich ja erst, wenn man eine Zeit lang über die Zusammenhänge nachdenkt. Zum Beispiel unsere vielen königlichen „Zufälle“ auf dieser Reise:
Wir segelten bei besten Bedingungen und bester Stimmung auf die schönste Insel dieser Reise zu. Aus der Entfernung war bereits zu erkennen, dass Fair Isle ein absoluter landschaftlicher Höhepunkt werden würde. Und zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nichts von den zahmen Papageientauchern, dem Sheep Rock, dem wunderschönen Naturhafen.
Wir sahen aber bereits ein höchst offiziell aussehendes Schiff vor der Westküste von Fair Isle. Dies Schiff hatten wir bereits am frühen Morgen bei den Orkneyinseln gesichtet. Sind die wegen uns hierher gefahren? Warten die auf uns?? Dem Käpt’n fallen sogleich alle seine Sünden ein…
„Das grüne zweimastige Segelschiff vor Fair Isle, bitte mal melden für HMS Pharus“, tönt es aus dem Funkgerät. Werden wir die Insel überhaupt anlaufen dürfen? Wird man uns dort festhalten? Ist der Hafen gesperrt und wir wissen es noch nicht??
Kneifen geht garnicht: „Hier ist das deutsche Segelschiff Petrine, wir hören“.
„Wunderschönen guten Tag. Wir haben Sie heute morgen bereits bei North Ronaldsay gesehen. Was für ein wunderschöner Anblick! Es ist toll, hier so ein Segelschiff zu sehen und das wollten wir Ihnen nur mal sagen.“
„Vielen Dank, Sir! Wir haben uns auch gefreut, als wir Sie heute morgen sahen. Viele Schiffe sind hier ja nicht unterwegs. Werden Sie auch auf Fair Isle festmachen?“
„Nein, wir sind unterwegs zur Instandhaltung der Leuchttürme in Schottland, Northern Lighthouses. Wir fliegen gleich rüber auf die Insel. Es ist eine ganz tolle Insel! Hoffentlich bleibt das Wetter noch eine Weile so schön, dann werden Sie es selber sehen. Marvellous Island, very friendly People“
„Vielen Dank für die vielen schönen Leuchttürme, die alle prima funktioniert haben. Die haben uns sicher hierher gebracht. Jetzt freuen wir uns noch mehr auf die Insel. Das war lange Zeit ein Traum, hier an Land zu gehen, und heute ist genau der richtige Tag dafür, bei diesem Wetter.“ Da werden dem Käpt’n die Augen ein bisschen feucht bei so viel Freundlichkeit und Wohlwollen. Er hat sich mal wieder umsonst Sorgen gemacht wegen der Obrigkeit. Die kann auch freundlich.
Am nächsten Tag erfahren wir auf der Insel, dass HMS Pharus hier nicht nur den Leuchtturm gewartet hat. Es war auch die Schirmherrin der Northern Lighthouses an Bord, die zu einem Besuch auf die schöne Insel geflogen wurde. Königliche Hoheit Prinzessin Anne ist schon öfter hier gewesen und sie ist beliebt bei den Insulanern: „very friendly, very normal Person“. Wir dürfen davon ausgehen, dass neben Kapitän und Besatzung von HMS Pharus auch das königliche Auge vom Anblick der segelnden Petrine erfreut wurde. Das macht uns doch ganz besonders stolz!
Damit nicht genug des königlichen Wohlwollens! Wir lesen drei Tage später in der Shetland Times, dass Prinz Charles am folgenden Tag zu einem spontanen Besuch auf den Shetlands eintreffen wird. Und zwar wird er Scalloway besuchen. Da liegt die Petrine an der Pier! Es ist wohl nicht zu weit hergeholt, dass die Schwester dem Bruder einen Tipp gegeben hat…
Am Tag von Prinz Charles Besuch hat er die Petrine allerdings schon nicht mehr in Scalloway angetroffen. Er wird wahrscheinlich an die Westküste gefahren worden sein und dort hat er dann das grüne Schiff, von dem ihm seine Schwester erzählt hat, unter vollen Segeln durch den Papa Sound kreuzen gesehen. Da hat er aber gestaunt! Und auch er hat es nicht für sich behalten.
Drei Tage späte Baltasound werden wir vom Hafenmeister gebeten, die Leinen eines Kreuzfahrtschiffes anzunehmen. Und richtig, früh morgens am Mittwoch läuft die „Hebridean Princess“ in Baltasound ein. Juri und Sonja bekommen von der Mannschaft das Schiff gezeigt. Juri bekommt eine Packung Twix geschenkt! Und die Mannschaft erzählt ihnen voller Stolz, dass Queen Elisabeth hier an Bord ihren 80. Geburtstag gefeiert hat. Bescheidene Leute, diese Royals, denn die „Hebridean Princess“ ist bei allem Charme keineswegs ein Luxusdampfer. Sie sieht aus wie eine gewöhnliche Fähre, wie sie zwischen den hebridischen Inseln zahlreich unterwegs sind. Da fällt es uns leicht, eins und eins zusammenzuzählen.
Wenn die Queen nun eine solch persönliche Beziehung zu diesem Schiff hat… Und wenn dies Schiff 20 Stunden nach unserem Festmachen „überraschend“, wie der Hafenmeister sagte, in Baltasound einläuft, da durchschauen wir natürlich den Zusammenhang: Prinzessin und Prinz haben es der Mutti erzählt! Da wird sie bestimmt höchstpersönlich an Bord sein! Und wirklich, als wir die Maschine starten und uns anschicken die Leinen loszuwerfen, da steht sie auf der Pier. Eine ganz gewöhnliche nette alte Dame in echt britischem pinkfarbenem Regenzeug. „Ich wollte euch so gerne einmal segeln sehen! Gute Reise und kommt sicher nachhause!“
Noch lange steht sie auf der Pier und winkt uns nach. Bei so viel königlichem Wohlwollen ist es kein Wunder, dass wir gut und sicher über die Nordsee gesegelt sind.
Das Tagebuch der Rückreise von Bergen findet Ihr hier!
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