2. Nordmeertörn – Die Lofoten
Samstag, 10. Juni
Die neue Crew kommt im Laufe des Tage vollzählig und wohlbehalten in Bodö und an Bord der Petrine an.
Still und ruhig ruht das Nordmeer. Die Sonne arbeitet sich langsam durch den Dunst. Nach Frühstück, Sicherheitseinweisung und Wacheinteilung tuckern wir um 10.30 Uhr aus dem Hafen von Bodö. Südlich der Insel Landegode stoppen wir die Maschine. Segeleinweisung, Mittagessen, warten auf Wind. Um 16.30 Uhr machen wir an einer Pier zwischen den Felsen fest. Von hier kann man durch einen kleines Fischerdörfchen zu einem Strand gehen, der neben allerlei Treibholz und nützlichen Dingen auch viele verschiedene Muscheln zu bieten hat. Um 20.00 Uhr entschließen wir uns, den aufkommenden Südwestwind zu nutzen und die Überfahrt zu den Lofoten zu wagen. Die südlichste Insel Moskenes, nah beim Malstrom, ist unser Ziel. Bei leider unsichtigem Wetter kommen wir schnell voran. Nicht allen gefällt allerdings das kabbelige Wasser des Vestfjordes.
Um 5.00 Uhr machen wir in Reine auf Moskenes fest. Viel ist nicht zu sehen, weder von der Lofotenwand, noch vom berühmten Postkartenpanorama von Reine und so gehen zunächst mal alle in die Kojen. Nach dem Frühstück entschließen sich viele, den 600 Meter hohen Reinebringen trotz der schlechten Sicht zu besteigen. Im Laufe des Vormittags klart es auf und sie werden mit tollem Sonnenschein, blauem Himmel und einer grandiosen Aussicht auf die Berge von Moskenes belohnt. Auch die Angler haben heute Glück und wer nur schwer in Bewegung kommt, für den gibts auch im Dorf selbst etwas zu sehen. Heute ist der Tag, an dem überall auf den Lofoten der getrocknete Dorsch von den Gestellen genommen wird. Zufrieden machen wir uns um 18.00 Uhr auf den Weg nach Å. Dort können wir um 19.30 Uhr vor dem Trockenfischmuseum festmachen. In der Abendsonne gehen wir im Dorf spazieren, danach wird an Deck gegrillt.
Dienstag, 13. Juni
Das Trockenfischmuseum wird extra für uns geöffnet und Direktor Steinar erzählt aus seinem Leben als Trockenfischhändler, -verarbeiter und -sortierer. Wie alle Lofotenjungs hat er natürlich als Zungenabschneider angefangen. Wie er sagt, die wichtigste Arbeit beim Kabeljaufang. Es ist traditionell die Arbeit der Schuljungen und wichtig ist sie, weil so die Jugend in die Küstenkultur eingeführt wird. Sie lernen den Umgang mit Fischen, deren Blut und Innereien und sie lernen, dass hier auf den Lofoten alles mit dem Kabeljaufang beginnt und endet. Wir setzen um 11.30 gerefftes Groß und Fock und machen uns auf den Weg nach Nordost, diesmal mit herrlichem Blick auf die Berge der Lofotenwand. Vor einer besonders dramatischen Bergkulisse liegt das ehemalige Fiskevaer Nusfjord, wunderbar bewahrt und restauriert und deshalb UNESCO-Weltkulturerbe. Besonders nach Abfahrt der zahlreichen Busse ist es hier sehr beschaulich und auch dank der guten Sicht auf die Berge ist praktisch jede Blickrichtung ein lohnendes Fotomotiv. Dennoch beschließen wir beim Abendessen, heute noch in die Nähe des Wikingermuseums von Borg zu segeln. Die Wellen des Vestfjords bleiben schnell achteraus, im Nappstraumen segeln wir auf Schmetterlingskurs nordwärts, in ruhigem Wasser, ausgerefft, mit 4 bis 5 Knoten. Nach einer Stunde nähern sich Von Süden dunkle Wolken, aber sie sehen gutartig aus, kaum Wolkenfetzen oder andere Zeichen von Starkwind. Wir segeln mit 6 bis 7 Knoten. Ob sich das Raubtier hinter der dunklen Wand versteckt hält? Das Großsegel wird geborgen und schon zeigt das Raubtier die Krallen. Wütend, weil sich die Beute entzieht, hauen die Böen in Besan und Fock. Die Wellen im trichterförmigen Nappstraumen werden immer chaotischer, weil hier zwei Gezeitenströme aufeinandertreffen. In einer Halse versuchen wir, den Besan zu reffen. Jetzt wird das Raubtier richtig ärgerlich, haut uns den Besan um die Ohren, wir segeln praktisch nur mit Fock und machen 7 Knoten Fahrt. Nach einer halben Stunde ist der Besan gerefft und wir segeln wieder in ruhigerem Wasser. Das Raubtier hat sich zurückgezogen. Die Anfahrt zum Steinfjord wird zu beiden Seiten von hohen Vorgebirgen bewacht, entsprechend nimmt hier der Wind wieder zu und voraus sind tanzende Gischtfontänen im Fjord zu sehen. Das kennen wir schon: Weg die Segel! Die letzten Meilen nach Tangstad fahren wir unter Maschine, das Raubtier zieht sich schmollend zurück, schlägt ab und zu halbherzig mit dem Schwanz nach uns. Kurz vor dem Hafen trifft uns dann noch einmal kurz und heftig seine ganze Wut. Eine Böe fegt über das unbesegelte Schiff, Wasser fliegt durch die Luft, macht nix, wir legen kurz vor Mitternacht wohlbehalten und ohne Schäden in Tangstad an.
Mittwoch, 14. Juni
Die Wanderung zum Wikingermuseum, gerüchteweise 3 km entfernt, kommt heute wegen schauerartigem Dauerregen nur zögerlich in Gang. Im Laufe des Vormittags machen sich die meisten dennoch auf den Weg, schließlich ist dies ja typisches Museumswetter. Leider sind das wikingerzeitliche Langhaus, mit 83 Metern Länge das längste je nachgebaute und das ebenfalls nachgebaute Gokstadschiff 7 km entfernt und auch das Gelände des Museums ist sehr weitläufig. Macht aber nix, im Langhaus brennen mehrere Feuer und es ist warm und trocken. Zurück geht es auf einem Wanderpfad durch die Berge und pünktlich zur Ankunft der Wanderer auf dem Schiff stehen Kaffee, Tee und Möhrenhaselnusskuchen auf dem Tisch. Draußen pfeift es mit Sturmstärke. Den Rest des Tages bleiben wir hier liegen. Ein Mann im Hafen warnt uns: Morgen soll es schlechtes Wetter geben.
Donnerstag, 15. Juni
Um 6.00 Uhr legen wir in Tangstad ab und tuckern aus dem Steinfjord. Viel Wind ist heute angesagt und wir wollen ihn nutzen, um durch den Raftsund zum Trollfjord zu segeln. Weitere Begegnungen mit dem Raubtier sollen vermieden werden, darum bemühen wir uns um Abstand zur Küste, denn die ist hier bis zu 800 Meter hoch und aus den Tälern könnte es uns wieder erwischen. Vorsichtig werden gerefftes Groß und Fock gesetzt, wir machen zunächst nur mäßige Fahrt. Nach dem Frühstück gehen wir auf Kurs Nordost entlang der Nordküste der Lofoteninsel Austvaagöy und bald weht es so stark, dass wir auch die Fock reffen. Wir laufen zeitweilig mit 10 Knoten, aber das Raubtier lässt uns heute in Ruhe. Wir haben es fürchten gelernt (Freitag, 9.6.), wir haben gelernt, ihm auszuweichen (Dienstag, 13.6.) und wir haben den nötigen Respekt bewiesen, indem wir gestern im Hafen geblieben sind. Jetzt toben wir gemeinsam die Lofotenküste entlang wie in einem wilden, ungestümen Spiel. Wir bleiben aber misstrauisch, luschern ständig nach Luv, ob es plötzlich seinen Sinn ändert und wieder anfängt auf das Schiff einzudreschen. Das bleibt aber aus, es bleibt ein toller, unvergesslicher Sturmsegeltag und um 15.00 machen wir auf der Insel Hanöy am Nordende des Raftsundes fest. Im Raftsund selbst ist gegen Strom und Sturm kein Vorwärtskommen möglich. Auch Landspaziergänge sind bei diesem Wind ein Abenteuer. Ab 20.00 ist zumindest der Strom im Raftsund mit uns, ein wenig hat es auch abgeflaut. Wir tuckern südwärts zum Trollfjord. Immerhin lüftet sich der Wolkenvorhang ein wenig und uns wird ein Blick auf das großartige Bergpanorama gewährt. Krönender Abschluss des tollen Tages, obendrein ist es hier, zwischen 700 bis 1000 Meter hohen Bergen, schön windgeschützt. Ab 22.30 Uhr genießen wir die Ruhe im menschenleeren Trollfjord.
Freitag, 16. Juni
Ab 10.20 Uhr tuckern wir weiter südwärts durch den Raftsund. Ziel ist Svolvaer, wir müssen unbedingt einkaufen, Müll entsorgen, duschen, kurz, wir brauchen die Zivilisation. Um 14.00 Uhr machen wir in Svolvaer fest, Hauptstadt der Lofoten. Es nieselt und die schöne Umgebung des Ortes bleibt heute im Nebel verhüllt. Um 21.00 Uhr machen wir uns auf den Weg nach Henningsvaer. Unterwegs können wir das abwechslungsreiche Spiel der Wolken mit den Bergspitzen beobachten. Um 23.20 Uhr sind wir fest in Henningsvaer, vielleicht der schönste Fischerort der Lofoten.
Samstag, 17. Juni
Nebel und Niesel in Henningsvaer, wir schlendern durch den Ort und warten auf Besserung. Mittags kommt Wind auf und die Sicht wird besser. Ab 14.00 Uhr segeln wir erstmals mit Topsegeln nordwärts durch den Gimsöystraumen. Dies ist unser Abschied von den Lofoten. Wir haben alle vier großen Inseln besucht und alle drei befahrbaren Sunde durchsegelt. Nun geht es weiter zu den Vesteraalen. Deren Westküste liegt ab 20.00 Uhr voraus und schon werden wir den Lofoten untreu. Hier sind die Berge nicht ganz so hoch, dafür grüner, runder, weniger schroff. Vielleicht liegt es auch am Sonnenlicht, vielleicht an den hunderten von Papageientauchern, die das Schiff umflattern, vielleicht am schönen, gemächlichen Segeln in der nächtlichen Sonne: Die Vesterlen gefallen sofort. Um Mitternacht machen wir im kleinen Fischerort Nykvaag fest. Nyk heißen die zuckerhutförmigen Hügel rings um den Ort: Fuglenyken, Gaardsnyken, Kvalnyken. Heute Nacht sind sie von der Mitternachtssonne beschienen.
Sonntag, 18. Juni
Vormittags kommt nur langsam Schwung ins Schiff. Die Dorsche, von den Anglern während der Nacht gefangen, werden gebührend bewundert, Rezepte werden diskutiert. Ein Gang durch den Ort ergibt: Wenige Menschen, viele, laute, brütende Möwen. Da außerdem kaum ein Lüftchen weht, wird heute vor allem der Verdauungstrakt vor Herausforderungen gestellt. Mittags werden schon mal die Dorsche als Backfisch gereicht. Dann legen wir ab und tuckern gemütlich Richtung Boröyfjord. Unterwegs gibt’s Kaffe und Kuchen und um 16.00 Uhr fällt der Anker in einer sehr einsamen Bucht der Insel Tindsöya. Es regnet, die Landschaft ist grandios. Die Sauna wird geheizt und ausgiebig benutzt. Der Tag geht zuende mit diversen Salaten, die zu gegrillten Koteletts verspeist werden. Um 22.30 Uhr kommt jedoch mehr Wind auf, als an diesem Ankerplatz gut ist und so verholen wir uns in den Hafen von Tangstad auf Skogsöya. Dort fallen alle erschöpft in ihre Kojen.
Montag, 19. Juni
Um 7.00 Uhr geht’s bei Sonnenschein weiter, nordwärts im Prestfjord, leider ohne Wind und darum mit Maschine. Die steilen Hänge der Inseln sind so grün und überwältigend schön, dass die Augen feucht werden und einige sind der Meinung, diese Gegend sei die bislang schönste, die wir auf dieser Reise gesehen haben. Und wir waren immerhin schon auf den Lofoten. Nach 2 Stunden machen wir in Nyksund fest, ein ehemals verlassenes Fischerdorf, das jetzt von verschiedenen Initiativen zu neuem, touristisch geprägten Leben erweckt wird. Die Mischung aus altem und neuem, Verfall und Aufbau hat ihre Reize, findet aber bei uns ein sehr geteiltes Echo.
Einige sind abgeschreckt, andere wollen gar nicht wieder weg. Also fahren wir um 13.30 Uhr weiter. Weiterhin wiegt sich die See in einer sanften Dünung, kein Wind kräuselt die Oberfläche. Wir stoppen bei der Insel Anda zum Angeln. Nach einer Stunde müssen wir abbrechen: Mehr Fisch können wir unmöglich in den beiden nächsten Tagen aufessen. Segelversuche bleiben dagegen erfolglos, auch Wale können wir keine erspähen und so fahren wir ab 18.00 Uhr unter Maschine weiter nach Nordosten. Um 21.00 Uhr machen wir in Nordmela fest. Die Sonne scheint.
Dienstag, 20. Juni
Heute schieben wir eine ruhige Kugel. Von 7.00 Uhr bis 10.30 Uhr tuckern wir über spiegelglatte See an der Westküste von Andöya nach Andenes. Hier starten die berühmten Walsafaris mit garantierter Walsichtung. Wir sehen aber nichts und im Ort erfahren wir auch warum: Die Wale treiben sich am Rande des Kontinentalschalfs herum. Unter Maschine wären wir etwa 10 Stunden dorthin unterwegs und das ist uns zu weit. Stattdessen gucken wir heute anderen bei der Arbeit zu: Das Fußball-WM-Fieber greift nun auch aufs Schiff über.
Mittwoch, 21. Juni
Gleich nach dem Ablegen in Andenes können wir Segel setzen. Hoch am Wind geht es über den Andfjord auf die Insel Senja zu. Leider schläft der Wind im Laufe des Vormittags ein. Die Sonne verzieht sich, es beginnt zu nieseln. Um 10.50 fällt der Anker vor Meby im Veimannsfjord. Beim Mittagessen kommt Westwind auf. Als wir ihm entgegenfahren, legt er sich wieder, obendrein zieht Nebel auf und die tolle Außenküste von Senja entzieht sich allen Blicken. Nur gelegentlich ist ein überspülter Felsbrocken in den Brandung zu sehen, denn die Küste ist hier sehr unrein. Vor dem Abendessen laufen wir in den Mefjord ein, da klart es schlagartig auf und obendrein kommt achterlicher Wind. Segel hoch, Maschine aus. Lange bleibt der Wind uns nicht treu, dann dümpeln wir in der Flaute. Um 20.00 liegen wir in Mefjordvaer. Schöne, kleine Ortschaft vor hochdramatischer Bergkulisse. Die Sicht bleibt gut und gleich nach der Linsensuppe ziehen verschiedene Wandergruppen in die umliegenden Wiesen, Hügel und Berge.
Donnerstag, 22. Juni
Berge und Fjord liegen heute in schönstem Sonnenschein. Die Wandersleut waren gestern begeistert und ziehen vormittags gleich wieder los. Umgekehrt sind die Einwohner, die Mefjordvaeringer, interressiert, was da für ein Schiff zu Besuch gekommen ist. Mittags kommt der ganze Kindergarten und bringt uns ein Ständchen: Wir fangen Fische, wir fangen Fische den ganzen Tag, ein Fisch für Mami, ein Fisch für Papi und 2 Fische für den kleinen Bjarne. Um 13.00 Uhr gehts weiter, Meer spiegelglatt, immerhin gelegentlich ein Sonnenstrahl, unglaublich schöne Küste. Vorraus liegt bereits Kvalöya, die Insel, auf der auch Tromsö liegt. Zur Kaffeezeit stoppen wir die Maschine und fangen im strahlenden Sonnenschein eine Wanne voller Dorsche und Seelachse. Um 19.00 machen wir auf Sommaröy fest.
Freitag, 23. Juni
Früh um 6.00 wollen wir die schöne Insel Sommaröy bereits verlassen, denn zwischen uns und Tromsö liegt der Rysstraumen, ein enger, stark strömender Sund, den wir vor 12.00 passieren müssen. Die Ansteuerung von Sommaröy liegt in dichtem Nebel, die Insel selbst im Morgensonnenschein und allein dieser Anblick lohnt das frühe Aufstehen. Vorsichtig tasten wir uns durch die Nebelsuppe aus Hafen und Felsengewirr in den tiefen Fjord hinaus. Nach 2 Stunden klart es auf und mit der Sonne kommt auch der Wind. Wir können segeln, ziemlich flott sogar und der Rysstraumen schiebt auch kräftig mit. Ringsum liegen immernoch Nebelpakete zwischen den Bergen und passen ganz hervorragend zu der unwirklichen Szenerie: Kahle Schneegipfel, grüne Fjordufer mit Bauernhöfen, Fjorde und Sunde überall dazwischen. Noch vor 12.00 passieren wir die engste Stelle des Rysstraumen. Hier zischt und gurgelt das Wasser und es muss wohl Mengen von Fisch heir geben, denn überall jagen die Vögel in die Strudel hinein. Mittags schläft der Wind erst ein, kommt dann heftig von vorn, dazu nähert sich Gewitterdonner. Wir bergen die Segel und fahren mit Maschine die letzten Meilen nach Tromsö. In strömendem Regen. Und so bietet dieser letzte Tag des Lofotentörns noch einmal ein echtes norwegisches Wetter-Potpourri. Die ganze Palette in sechs Stunden. Um 15.00 machen wir in Tromsö fest, nach 400 Seemeilen durch unglaubliche Küstenlandschaften.
Samstag, 24. Juni
Nach Frühstück und rein Schiff verlässt die Lofotencrew im Laufe des Vormittags die Petrine und reist heim.