5. Nordmeertörn – Die Hurtigroute / Der Nordostseetörn
6. August, Sonntag
12.00, alle Mitsegler vom Hurtigrouten-Törn sind angekommen auf der Petrine. Gleich nach dem Mittagessen und der Sicherheitseinweisung legen wir ab und setzen sofort die Segel. Sonnenschein und achterlicher Wind begleiten uns aus dem Fjord hinaus. So warm war es seit Wochen nicht. Der günstige Wind bleibt uns treu auf dem Varangerfjord und in der Mitternachtsdämmerung passieren wir bereits das Norwegische Ostkap bei Vardö.
7. August, Montag
Der Wind wird unbeständig, mal weht er, dann wieder nicht, sodass wir mehrfach für ein halbes Stündchen die Maschine starten müssen auf unserem Weg nach Nordwesten, entlang der felsigen, baumlosen Küste von Finnmark. Um 12.00 machen wir in Berlevaag fest. Nach 3 Stunden spazierengehen, Museum besuchen und einkaufen in Berlevaag geht es um 15.00 weiter nach Westen, dem Nordkap entgegen. Heute gibt der Nebel eine Galavorstellung. Zeitweilig fahren wir durch reines dreidimensionales Weiss, kein Horizont, keine Konturen begrenzen Wasser und Luft, nur wir in der Mitte mit dem Schiff, auf dem Maschine und Radar fleißig vor sich hin schnurren. Dann reißt das Weiß auf und wir sehen kleine Schäfchenwolken am blauen Himmel über uns. Die Nebelschicht ist wohl nicht so dick und darüber scheint die Sonne. Nur der Wind hat heute Pause, es weht kein laues Lüftchen. Vor Mitternacht, es regnet in Strömen, stoppen wir für eine Stunde die Maschine, um uns mit Fisch zu versorgen.
8. August, Dienstag
Durch permanenten Nebel und gelegentliche Schauer geht es weiter dem Nordkap entgegen. Kurz vor dem Kap reißt der Nebel auf und wir können um 6.00 den großen Felsen an Backbord bewundern. Eine halbe Stunde später haben wir auch den Knivskjellodden passiert, die nördlichste Landzunge in Europa und an jetzt geht es südwärts. Zum Frühstück legen wir in Gjesvaer an, einem kleinen Fischerdorf zwischen Inselchen und Vogelfelsen auf der Insel Mageröya. Die Sonne kommt durch, hier wollen wir ein paar Stunden bleiben und der Ort enttäuscht uns nicht. Nach dem Mittagessen legen wir bei strahlendem Sonnenschein ab und gleiten vor schwachem Ostwind unter tiefblauem Himmel sanft aus dem Hafen. Das Schwerste liegt wohl hinter uns, zumal wir jetzt, nach Umrundung des Nordkaps, zwischen den Inseln weiter nach Süden segeln können.
Um 16.00 bergen wir in einem heftigen Regenschauer die Segel. Der Wind kommt jetzt genau von vorn und Gischt fliegt bis zum Deckshaus. Unter Maschine und begleitet von Regenschauern geht es nach Havöysund, wo wir um 18.00 zum Abendessen festmachen. Nachdem wir uns sattgegessen haben und es draußen aufgeklart hat, geht es weiter mit Maschine auf Südwestkurs durch die Inseln.
9. August, Mittwoch
Hammerfest lassen wir in der mitternächtlichen Dämmerung links liegen und machen stattdessen um 9.00 in Hasvik auf Söröya fest. Ein kleiner Fischerort mit 700 Einwohnern auf einer etwa 1000 qkm hohen Insel. Nach ein paar erholsamen Spaziergängen lockt uns der Gletscher im Süden, den wir von hier aus sehen können. Der Wind ist heute widrig, getuckert haben wir schon genug, also machen wir um 16.00 in Bergsfjord fest, einem selbst für norwegische Verhältnisse ungewöhnlich schön gelegenen Ort. Halbrund öffnet sich der Hafen zum Fjord, wirklich jedes Haus hat einen fantastischen Blick auf Inseln und Bergkulisse jenseits des Fjordes. Oberhalb des Ortes sehen wir den Svarthellgletscher, ein aufgestauter Gletscherbach liefert Strom und Trinkwasser, 2 Fähren sorgen für den Anschluss an den Rest der Welt. Arbeit gibt es auf 12 Fischkuttern und in einer Fischverarbeitung. Der Blick im Sonnenschein von der Staumauer in Richtung Gletscher ist so schön, hier muss man mindestens eine Stunde sitzenbleiben.
10. August, Donnerstag
Früh um 6.00 verlassen wir Bergsfjord, tuckern aufs Lopphavet hinaus und setzen Segel. Schnell sind wir heute nicht, eigentlich sogar meistens sehr langsam. Das hat aber auch sein Gutes, z.B. wird Fisch gefangen für gut 3 Mahlzeiten. Angelverbot bis auf Weiteres. Wenn es ganz flau wird, starten wir die Maschine und meist kommt dann bald Wind auf. Am Schönsten ist der Nachmittag. Die Sonne scheint, die Gletscher vom Öksfjord, das Kvaenangsfjell und die Insel Arnöya liegen im strahlenden Sonnenschein, verziert von einigen übriggebliebenen Nebelfetzen. Dazu weht raumer Wind, die Segelwelt ist heute perfekt. Die Küche passt sich an: Zum Fisch werden ofenfrische Baguettes gereicht und zum Nachtisch wird die Aussicht auf die Lyngsalpen serviert.
11. August, Freitag
In den frühen Morgenstunden zieht dichter Nebel auf, sodass sich Tromsö unseren Blicken entzieht. Kurz vor der Stadt ist die Sicht so schlecht, dass selbst der Bugspriet kaum noch zu erkennen ist. Um 5.00 sind wir fest vor dem Polarmuseum in Tromsö und von der Stadt ist immernoch nichts zu sehen. Erst nach dem Frühstück kommt schlagartig die Sonne durch und wir erleben einen wunderschönen, warmen, sonnigen Tag in der schönsten Stadt des Hohen Nordens. Botanischer Garten, die neue Bibliothek, Polariacenter, die lebhafte Einkaufsstraße mit Kunsthandwerkermarkt und Blick auf schneebedeckte Gipfel in beiden Richtungen, alles vor blauem, wolkenlosem Himmel. Um 16.00 legen wir ab, die Tide läuft jetzt mit, der Wind ist günstig, direkt vor dem Hafen können wir Segel setzen. 2 Stunden später ist der Wind leider eingeschlafen und mit Maschine geht es weiter west- und südwärts durch die Fjorde. Die Landschaft ist hier, zum ersten mal seit Monaten, beschaulich und unspektakulär: Bauernhöfe, fette Wiesen und kleine Dörfchen am Ufer. Kaum zu glauben, dass es sich um die Insel Senja handelt, deren Westküste wild zerklüftet und unzugänglich, mehr als 1000 Meter aus dem Nordmeer herausragt. Vor Mitternacht machen wir in Finnsnes fest und warten auf mitlaufenden Strom.
12. August, Samstag
Ab 6.00 läuft nicht nur der Strom mit, es hat auch Nordwind eingesetzt und wir segeln gemächlich über Solbergfjord, Tranöyfjord und Vaagsfjord auf die Insel Hinnöya zu. Mittags werden die letzten Dorsche aus dem Lopphavet verspeist und sogleich in der Seekarte nach neuen Fangplätzen gesucht. Abends stürzen wir uns in die gurgelnden Strudel des Tjeldsundes und rauschen bei mitlaufendem Ebbstrom mit 10 Knoten Fahrt nach Süden. In der mitternächtlichen Dämmerung versuchen wir, die Fischvorräte zu erneuern, was aber nicht gelingt. Dann schiebt sich eine dicke Nebelbank von Norden in den Sund und bringt frischen Nordwind mit. Zur Mitternachtsstunde segeln wir eine Regatta mit der Nebelbank. Zunächst fängt sie uns ein, wobei der Mond strahlend schön über uns stehen bleibt und uns der erste Stern nach 10 Wochen leuchtet. Dann zieht sich die Nebelbank auf das gegenüberliegende Ufer des Sundes zurück und wo der Sund in den den Vestfjord mündet löst sie sich auf. Jetzt können wir im Westen die Berge der Lofoten sehen.
13. August, Sonntag
Die ersten 8 Stunden des Tages segeln wir herrlich im Sonnenschein auf die Lofotenkette zu. Dann hat sich der Nordwind vom nächtlichen Wehen erschöpft und wir starten die Maschine, um gegen 12.00 in Kabelvaag anlegen zu können. Kurze Hose, T-Shirt und Sonnencreme sind hier angesagt. Das Lofoten-Aquarium wird besucht und auf dem knallheissen Marktplatz (25 Grad) wird Eiscreme verspeist. Der kleine Ort gehört zum Schönsten, was wir in Norwegen bislang sahen, mit liebevoll gepflegten kleinen bunten Häuschen, überall versteckten Hafenbecken und der landesüblichen Bergkulisse im Hintergrund. Um 16.00 feiern wir den Geburtstag unseres österreichischen Mitseglers Gerhard mit Kaffee, Kuchen und Gesang. Anschließend legen wir ab und motoren über spiegelglattes Meer nach Henningsvaer. Der Abend an Bord, in der Kneipe oder im Dorf wird warm und gemütlich.
14. August, Montag
6.00 Leinen los in Hennigsvaer und sofort können Segel gesetzt werden. Den ganzen Tag segeln wir südwestwärts entlang der Lofotenwand. Und wenn wir auch schon wochenlang in Norwegen sind: Dieser Tag ist wieder mal was ganz besonderes. Strahlend blauer Himmel, die bizarre Bergkette der Lofoten, der dazu passende Segelwind, es stimmt einfach alles. Am Nachmittag gurgeln die kabbeligen Wellen des Malstroms um unser Schiff. Bei so ruhigem Wetter eine Bereicherung des Programms, bei Starkwind wären sie sicher beängstigend. Um 17.30 machen wir auf Vaeröy fest. Im Norden ist die Lofotenwand noch zu sehen, auf Vaeröy ist es warm und sonnig und alles lädt zur Inselerkundung ein. Dennoch legen wir um 23.00 ab. Diesen günstigen Nordostwind müssen wir nutzen, um weiter gen Süden zu fahren. Zum Abschied sehen wir im Norden die scharfgezackten Berggipfel der Lofoten vor dunkelrotem Mitternachtshimmel. Über uns leuchten Sterne vor blauschwarzem Hintergrund. Es geht mit voller Fahrt nach Süden, den unreinen Gewässern, der nächtlichen Dunkelheit und der Heimat entgegen.
15. August, Dienstag
Nach stundenlanger schneller Fahrt passieren wir um 10.50 den Polarkreis mit südlichem Kurs. 10 Wochen waren wir jenseits des Polarkreises unterwegs, haben 3300 Meilen zurückgelegt und so viel Schönes gesehen. Heute fällt der Abschied vom Norden leicht, denn es ist warm, es weht angenehmer achterlicher Wind, es hat seit Tagen nicht geregnet und der Wetterbericht verspricht all dieses auch für die kommenden Tage. Am späten Nachmittag machen wir auf einem felsigen, bemoosten, baumlosen Inselchen weit draußen im Meer fest. Mindestens 30 Häuschen stehen hier in Gaasvaer, es gibt mehrere Anleger, ein Kirchlein, Strom- und Wasserleitungen, aber wir treffen keine Menschen, die hier wohnen. Der Ort ist verlassen, aber nicht verwahrlost. Anscheinend werden die meisten Häuser als Ferienwohnungen genutzt. Wir bauen am alten Fähranleger die Grills auf, feuern den Saunaofen an und ziehen die Gaffel des Großsegels hoch zum Gaffelspringen. Die Luft ist mild, das Wasser nicht zu kalt, zumindest wenn man zuvor in der Sauna gewesen ist und einen solchen Abend zur umfassenden Entspannung haben wir uns verdient, denn mehr als die Hälfte der Strecke von Kirkenes nach Bergen liegt bereits hinter uns.
16. August, Mittwoch
Vor dem Frühstück legen wir ab, setzen alle Segel und gehen auf Kurs Südsüdwest an den äußersten Inselchen entlang. Im Osten grüßen fern die hohen Berge des Binnenlandes, im Westen liegt ruhig die Norwegische See, über uns scheint die Sonne und ein stetiger Nordostwind lässt uns zunächst gut vorankommen. An Nachmittag werden die Flautenperioden immer länger: Zum Segeln zu langsam, zum Angeln zu schnell. Um 18.00 starten wir die Maschine und laufen mit Kurs Südsüdwest ausserhalb des Schärengürtels. An Steuerbord geht um 21.35 die Sonne feurigrot unter.
17. August, Donnerstag
Gleich nach Mitternacht kommt Westwind auf, alle Segel werden gesetzt und bis zum Frühstück können wir südwärts segeln. Dann verschwinden wir bei Buholmraasa in den Schären und halten Ausschau nach einem gemütlichen Hafen. Bald sind wir in Vingstad fest, einem kleinen Bilderbuchdörfchen rings um das Hafenbecken, mit roten Fischerhütten, weissen Häuschen, einem kleinen Lädchen mit Rorbu-Camping. Die Berghänge sind grün, teilweise waldbedeckt und alles unterscheidet sich hier deutlich von der barschen, kargen Felslandschaft im Norden. Südnorwegen eben. In Vingstad ist die Straße zuende und alles geht sehr langsam vor sich. Wir waschen, gehen spazieren, frühstücken lange. Wind weht sowieso keiner mehr. Am frühen Nachmittag legen wir ab und suchen nach guten Fischgründen. 2 kleine Makrelen und ein Rotbarsch sind das dürftige Resultat. Also beschliessen wir den ruhigen Tag im Helfjord. Schön mittig im Fjord gehen wir zu Anker, bewundern die schönen Hügel ringsum und fangen eine weitere Makrele.
18. August, Freitag
Nachts hat es ein wenig geregnet. Der angekündigte Ostwind bleibt aus und wir müssen gegen schwachen Südwest motoren. Also fahren wir kleine Umwege durch enge Sunde und Fjorde. Um 9.30 passieren wir das Inselgewirr im engen Stokksund. Weiter geht es mit Kurs Südwest, auf der Suche nach besserem Segelwind. Nachmittags wollen wir im Fröysund zwischen den Inseln Hitra und Fröya festmachen. Die Inseln sind niedrig, relativ dicht bebaut und sicher das unspektakulärste Stück Norwegen, das wir bislang sahen. Zum Glück kommt Nordostwind auf. Alle Segel werden gesetzt und wir machen anfangs knapp 3 Knoten. Abends haben wir die Geschwindigkeit mehr als verdoppelt und segeln über offene See auf die Fjorde von Sunnmöre zu.
19. August, Samstag
Alle Wachen haben heute das große Los gezogen: Sternenklare Nacht, ein sonniger, warmer Morgen, völlig entspanntes Segeln. Pünktlich zum Frühstück haben uns die Inseln wieder. Im Süden liegen Berge und Fjorde hinter Nebelbänken versteckt. Die werden sich wohl aufgelöst haben, bevor wir sie erreichen. Um 14.00 machen wir in Aalesund fest und geniessen das muntere Treiben in dieser schönen Stadt. Wer lange wach bleibt und sich im Freien aufhält wird kurz vor Mitternacht mit einer ausführlichen Nordlichtvorstellung über den Inseln nördlich des Hafens belohnt.
20. August, Sonntag
Die meisten Kneipenheimkehrer haben schon ab 4.00 gefrühstückt; einige andere frühstücken zur gewöhnlichen Zeit um 8.00 und anschliessend legen wir ab. Wind weht heute keiner und so fahren wir einen Umweg durch die Fjorde . Können wir nicht segeln, wollen wir wenigstens die Aussicht geniessen. Durch Sulefjord, Vartdalsfjord und Rovdefjord geht es dem Kap Stattland entgegen. Hier ist es nicht das schlechteste, garkeinen Wind zu haben, denn widrige Winde könnten unsere Fahrt nach Bergen hier tagelang aufhalten. Um 17.00 umfahren wir dies Hindernis und dürfen nun recht sicher sein, zum Wochenende pünktlich in Bergen zu liegen. Nach weiteren 2 Stunden sind wir wieder im Schutz der Inseln und es fällt uns eine Klosterruine ins Auge. Spontan beschliessen wir, hier anzulegen. Auf der kleinen Insel Selja gründeten britische Mönche im 11. Jahrhundert das erste Kloster und den ersten Bischofssitz in Norwegen. Die geschichtsträchtige Ruine ist wunderbar restauriert, mit Glockenturm, Fundamentmauern und einer begehbaren Höhle tief in den Berg hinein. In der Abenddämmerung klettern wir auf den steilen Berg hinter der Klosterruine. In völliger Stille haben wir eine tolle Aussicht auf die Berge der Halbinsel Stattland, die Inseln des Sildegapet und die Fjorde im Süden, die wir morgen befahren wollen.
21. August, Montag
Ein günstiger Wind will heute genutzt werden und wir segeln nicht durch die Fjorde, sondern aufs offene Meer hinaus, westlich um die Inseln Vaagsöy und das Bremangerland herum. Wenn wir wollten, könnten wir noch heute in Bergen ankommen. Das ist aber ein ganz abwegiger Gedanke, denn davor lockt uns das Fjordland mit den längsten Fjorden der Welt und der Öygaarden (Inselgarten). Dafür haben wir nun noch 5 volle Tage Zeit und die werden wir geniessen. Heute Abend zum Beispiel mit einer gemütlichen Maschinenfahrt in den Fördefjord. In der Dämmerung fahren wir direkt an einer 1200 m hohen Felswand entlang, kahl und unzugänglich, auf der ein kleiner Gletscher trohnt. In stockfinsterer Nacht machen wir an einer kleinen Pier fest. Ein paar Bootsschuppen sind zu erkennen und ein Wasserfall zu hören. Ansonsten tiefe Stille und ein atemberaubender Sternenhimmel.
22. August, Dienstag
Dieser Anleger ist so idyllisch, wir bleiben bis nach dem Frühstück. Später am Tag stellen wir fest: Wir hätten den ganzen Tag hier bleiben sollen. Die Stadt Förde, wo wir von 11.00 bis 17.00 festmachen, ist trotz wunderschöner Lage von ganz einzigartiger Gesichtslosigkeit. An Stelle eines Ostszentrums gibt es hier ein großes Gewerbegebiet mit Kaufhallen aller Art, Tankstellen und Einkaufspassagen. Na, ist auch mal wichtig nach so langer Zeit abseits der Konsumwelt. Abends tuckern wir wieder fjordauswärts, vorbei an den idyllischen Bootshäusern von Björkedal, vorbei an der hohen gletschergekrönten Felswand, durch den engen Aalasund. Am Abend legen wir auf der bewaldeten Insel Svanöya an und spazieren noch lange durch Stille und Dunkelheit.
23. August, Mittwoch
Svanöya ist das Zentrum der Haugianerbewegung. Kein Lexikon an Bord kann uns weiterhelfen, was es mit dieser Bewegung auf sich hat. Wir lassen unserer Fantasie freien Lauf und kommen zu dem Schluss, Ziel dieser Bewegung sei die Anlage kreisrunder Landebahnen auf norwegischen Flugplätzen um den Flächenverbrauch zu minimieren. Bekämpfen will der Haugianer den Alkoholkonsum und die schlimmste Untat in Haugianerkreisen ist es, nächtens alkoholisiert und unbekleidet im Kreis zu schwimmen. Der Kontakt mit der Inselbevölkerung kann schliesslich einige unserer Vorstellungen korrigieren: Die Haugianerbewegung wendet sich gegen den norwegischen Zentralstaat und das Königshaus, kämpft für die Bewahrung der Altnorwegischen Sprache und der Küstenkultur und gegen den Alkoholkonsum. Ganz falsch lagen wir also nicht.
Nach dem Frühstück tuckern wir über einen spiegelglatten Ententeich mit Kurs Südwest in den Schärengarten. Dem Anblick des Norske Hesten können wir nicht widerstehen. Die 486 m hohe Insel mit steil abfallenden Felsen und Geröllfeldern an drei Seiten und einem wundervollen Naturhafen im Süden liegt mittags im hellen Sonnenschein vor uns. Wir legen dort an und die halbe Crew macht sich an den Aufstieg zum Gipfel. Im Juni waren wir ebenfalls hier und staunten genauso über die Fernsicht auf die höchsten Berge Norwegens. Der Schnee allerdings, der damals noch ein Drittel der Berghänge bedeckte, ist im Laufe des Sommers restlos verschwunden. Später am Tag stellen wir fest, dass die Wassertemperatur ebenfalls deutlich zugenommen hat und angenehmes, ausdauerndes Schwimmen zulässt. Die Sauna wird befeuert und anschliessend ein Riesenabendessen serviert: Miesmuscheln, Makrelen und Spaghetti bis zum Abwinken.
24. August, Donnerstag
Um 5.00 legen wir ab, denn wir haben heute viel vor. Welche Überraschung: Um 5.00 ist es noch dunkel. Dennoch setzen wir alle Segel und kreuzen vor schachem Nordostwind mit 2 bis 4 Knoten Fahrt. Genau die richtige Geschwindigkeit für das letzte große landschaftliche Highlight unseres Törns. Wir segeln durch den Oygaarden, durch den engen Ytre Steinsund und mittags liegt der Sognefjord an Backbord. 200 km erstreckt er sich ins Land und vereinigt alle Schönheiten der Fjordwelt entlang seiner 1000 km langen Küstenlinie. 2 Wochen wären gerade genug, den Sognefjord genauer zu erkunden. Wir segeln heute weiter zum Radöysund und machen um 18.30 an einem Anleger bei dem Dörfchen Lygra fest. Einen Musterhof zur Bewahrung traditioneller Landschaft und Landwirtschaft gibt es hier (Haugianer?), mit entsprechendem Informationszentrum, wunderschönen Naturstein- und Holzhütten. Ein tolles Plätzchen für unseren letzten gemeinsamen Grillabend. Wir sitzen auf dem Steg bis tief in die Nacht.
25. August, Freitag
Nach dem Frühstück auf dem Anleger wird das Schiff gründlich gereinigt und um 11.00 nehmen wir uns die letzte Wegstrecke nach Bergen vor. Es trübt sich ein, es fängt an zu regnen, es gibt einen lezten hervorragenden Kohleintopf und um 15.00 geht unser Törn in Bergen vor der Tyske Brygge zuende. 1232 Seemeilen haben wir seit Kirkenes zurückgelegt, ohne ein einziges Mal zu reffen. Dieser Törn war der erste auf diesem ganzen Törn, der wirklich vom Wetter begünstigt war. Wir hatten eine wunderschöne Seereise entlang der schönsten Küste der Welt.
26. August, Samstag
Heute reisen die Hurtigrutensegler ab und die Mitsegler des Nordostseetörns von Bergen nach Stralsund kommen im Laufe des Tages an Bord. Alle freuen sich über den Sonnenschein und das warme Sommerwetter in Bergen.
27. August, Sonntag
Nach Sicherheitseinweisung, Wacheinteilung und Wasser bunkern legen wir in Bergen ab. Probeweise werden Segel gesetzt, Wind weht heute keiner, dafür regnet es. Am Anleger in Hjellestad nehmen wir noch einen verspäteten Mitsegler an Bord. Unseren Segelversuchen ist heute nur mäßiger Erfolg beschieden. Das Angeln klappt wesentlich besser und pünktlich zum Abendessen sind reichlich Makrelen gefangen und gesäubert. Es regnet den ganzen Tag. In der Abenddämmerung motoren wir durch den engen Lukksund. Steile, mit Mischwald in allen Grünschattierungen bedeckte Hänge dampfen im abendlichen Nieselregen. Schön wie ein tropischer Regenwald, beinahe so nass, zum Glück nicht ganz so heiss. Um 21.30 machen wir in Nymark fest. Es regnet.
28. August, Montag
Es regnet. Während des Frühstücks tuckern wir nach Rosendal und machen um 9.00 dort fest. Rosendal ist ein sehr idyllischer kleiner Ort mit einem lebhaften Flusslauf, reich verzierten Holzhäuschen im Jugendstil und einem Schiffbaumuseum. Nach dem Mittagessen fahren wir weiter nach Sunndal im Maurangerfjord. Schon vom Schiff können wir einen Seitenarm des Fonne-Gletschers sehen und am Nachmittags nutzen fast alle das leidlich trockene Wetter für eine Wanderung zum Bergsee am Fuße des Gletschers. Der See liegt auf etwa 250 m Höhe und der Anstieg führt gemächlich entlang eines wild sprudelnden Flusslaufes. Bäume, Flechten und Moose in allen Variationen säumen den Weg und erfreuen Auge und Nase. So ist dies trotz Windstille und Regen noch ein richtig schöner Tag geworden.
Schon beim Ablegen um 7.00 sehen wir viel blauen Himmel. Ein halbes Stündchen später liegen die Berggipfel im Sonnenschein und während des Frühstücks scheint die Sonne schon bis in die halbausgeschlafenen Gesichter. Wir tuckern über spiegelglattes Wasser aus dem Fjord heraus. Um 9.00 können wir alle Segel setzen und gleiten langsam vor dem Wind der Nordsee entgegen. Das Segelvergnügen währt leider nur kurz, dann beginnt die Segelarbeit. Der schwache Wind kommt zumeist von vorne, sodass wir kreuzen müssen. Gern schläft er auch mal ein Stündchen ein und überrascht uns dann mit einer neuen Richtung. Wir lassen uns alles geduldig gefallen, denn es scheint die Sonne und der Hardangerfjord ist einzigartig schön. Erst abends starten wir die Maschine und in der späten Dämmerung machen wir in Mosterhamn fest.
30. August, Mittwoch
Nach dem Frühstück nehmen wir uns etwas Zeit für den geschichtsträchtigen Ort. Hier gibt es die älteste Steinkirche Norwegens, über 1000 Jahre alt und ein Kreuz markiert einen ebenso alten Thingplatz. Nur Bewohner scheint es heute kaum noch zu geb en, obwohl 3 kilometerlange Brücken Moster mit dem Rest der Welt verbinden. Ab 10.00 tuckern wir durch Windstille aus dem Bömlafjord aufs offene Meer hinaus. Die Felsengruppe von Rövaer liegt vorraus, barsch, abweisend und unzugänglich. Es findet sich eine enge Durchfahrt und vor uns öffnet sich ein überaus malerischer Naturhafen mit fein restaurierten Holzhäuschen ringsumher. 80 Leute wohnen hier, beinahe ebensoviele Schiffe, Boote, auch Kanus liegen im kleinen Hafenbecken, das bei jedem Wetter jeden erwünschten Schutz bieten würde. Um 16.30 schlengeln wir uns wieder aus dem Felsengewirr heraus. Wind aus Westnordwest ist aufgekommen und wir können Segel setzen. Nach einer halben Stunden sind wir frei von allen Felsen und laufen mit über 7 Knoten südwärts. Nicht alle können die flotte Fahrt geniessen, aber noch vor Mitternacht haben wir Jaerens Rev an Backbord.
31. August, Donnerstag
Im freundlichen Morgensonnenschein liegen an Backbord die Fjorde von Lista und Lindesnes und an Deck zaubert die Sonne Farbe in so manches Gesicht, das gestern zeitweise leblos wirkte. Wind und Wellen schlafen langsam ein und in der Mittagszeit laufen wir unter Maschine die letzten Meilen nach Listahavn hinein. Das aufregendste hier sind die vielen Wespen, die bald zu hunderten an Deck und im Salon herumschwirren. Auch die Lokalbevölkerung zeigt sich interessiert am schönen Schiff. Die jüngeren am Ort betreiben ein Kystkulturzentrum mit einer fahrenden Segelschute, die älteren erzählen begeistert von der Zeit, als sie mit solchen Schiffen Frachten bewegten. Um 15.00 legen wir ab, verscheuchen die letzten Wespen und nehmen Kurs auf Norwegens Südkap Lindesnes. Um 18.00 haben wir es dicht an Backbord und es sieht aus wie der Knivskjellodden im Norden: Sanft abfallend ins Meer, kahl und unbewachsen, denn im Winter branden hier 10 m hohe Wellen bis zum Leuchtturm hinauf. Gleich um die Ecke machen wir in Lillehavn fest. Der Fiskebruk hier hat vor Jahren zugemacht; nun werden Ferienhäuser mit eigenem Steg für die Angelboote gebaut. Ganz fertig ist man mit dem Umbau noch nicht und so findet die Petrine noch ein Plätzchen an einer alten Pier in diesem südlichsten Hafen Norwegens. Es nieselt leise vor sich ihn, die Sauna wird geheizt, leckere Kartoffelsuppe beschliesst den langen, abwechslungsreichen Tag.
1. September, Freitag
Im wunderschönsten Sonnenaufgangslicht machen wir uns um 7.00 auf den kurzen Weg nach Mandal. Ein schöner Weg um die Inseln, Schären und Felsen, ein schöner Abschied von Norwegen. Der Hafen von Mandal liegt ein paar hundert Meter flussaufwärts oberhalb der Mündung des Mandalelv. Wir machen direkt im Stadtzentrum fest und haben beste Gelegen heit, die letzten norwegischen Kronen auf den Kopf zu hauen und leise weinend vom schönen Land Abschied zu nehmen. Vor mehr als drei Monaten kamen wir abends in Egersund an und das Wasser hat gerauscht und alles roch nach Norwegen. Eine Riesenmenge Eindrücke und Erinnerungen bleiben zurück, das Schiff ist sicher an tausenden Felsen und Untiefen vorbeigesegelt, bei noch so heftiger Seefahrt hat es keine Verletzungen gegeben. Um 15.30 haben wir alle norwegischen Felsen achteraus, setzen die Segel im auffrischenden Südwestwind und nehmen Kurs auf Skagen, das 110 Seemeilen östlich von uns liegt.
2. September, Samstag
Um 7.30 kommen an Steuerbord dänische Dünen und Sandstrände in Sicht. Das war eine tolle, schnelle Überfahrt mit abendlichem Sturzregen, prächtigem nächtlichen Sternenhimmel und einem bezaubernden Sonnenaufgang. Nach dem Frühstück bergen wir auf dem Skagen Rev die Segel und motoren eine Stunde gegen den Wind auf den Hafen zu. Um 11.00 sind wir fest in Skagen. Ein Sturmtief überquert die Nordsee und nimmt Kurs auf Dänemark. Wir bleiben erstmal hier liegen. Einige wandern nach Grenen hinaus, wo Skagerrak und Kattegat, Nordsee und Ostsee sich begegnen. Andere bleiben in den umgebenden Dünen, am endlosen Sandstrand oder im süßen, kleinen, unheimlich belebten Städtchen. Abends trotzen wir dem Schauerwetter, grillen und essen auf der Pier bis es dunkel wird.
3. September, Sonntag
Es pfeift in den Wanten in Skagen. Nach dem Mittagessen laufen wir aus, setzen gerefftes Groß und gereffte Fock und stürmen auf die Kattegatinsel Laesö zu. Gelegentlich kommt ordentlich Wasser an Deck, andere Segler kriegen wir heute nicht zu sehen. Auf der Petrine ist alles wohl, alle staunen und bewundern das aufgewühlte Kattegat im hellen Sonnenschein. Um 18.00 liegen wir in Österby auf Laesö.
4. September, Montag
Heute bleibt die Petrine auf Laesö liegen. Es stürmt und pfeift und die Schauerböen toben übers Schiff, eine nach der anderen. Landprogramm. Auf Laesö gibt es viele Möglichkeiten: Pilze suchen im Kiefernwald, lange wandern am Strand, Besuch in der Salzsiederei, deutsche Zeitungen im spar, die im Laufe des Tages vielfach im Salon gelesen werden. Abends stürmt es den ganzen Himmel blank, keine Wolke kann sich halten bei diesem Wind und es würde nicht verwundern, wenn sich auch die Sterne losreissen und davonfliegen würden.
5. September, Dienstag
Um 5.30 sitzt die ganze Crew um den Frühstückstisch, denn um 6.00 wollen wir ablegen, übers Kattegat Richtung Öresund. Das geht aber nicht, denn der Wind hat noch nicht nachgelassen. So gehen die meisten wieder in ihre Kojen. Im Laufe des Tages flaut es ab und um 13.00 mühen wir uns gegen Wind und Welle aus dem Hafen heraus. Kurze Zeit später können wir die gerefften Segel setzen und flitzen südwärts. Es wird eine der schnellsten Reisen, die die Petrine je gemacht hat. Zeitweilig stürmen wir mit über 9 Knoten dahin, dazu Sonnenschein und nur moderate Wackelei.
6. September, Mittwoch
Nach Mitternacht kommt vorraus Schloss Kronborg in Sicht, die Einfahrt zum Öresund zwischen Dänemark und Schweden. Die Fahrt wird ruhiger, auch langsamer, der viele Schiffsverkehr verlangt alle Aufmerksamkeit. Belohnt werden wir mit einem tollen Lichterspiel auf beiden Seiten des Sundes und einem kugelrunden Mond darüber. Um 4.00 machen wir in Humlebaek fest. Hier gibt es eines der größten Museen für moderne Kunst in Europa. Die meisten von uns verbringen dort den Vormittag. Wem sich die moderne Kunst nicht erschliesst, der kann hier jedenfalls die einmalige Lage und Architektur des Museums geniessen, oberhalb des Strandes, mit vielen Ausblicken auf die Insel Ven und die schwedische Küste des Öresundes. Um 14.00 werfen wir bei Nieselregen, wenig Wind und mäßiger Sicht die Maschine an und fahren südwärts nach Kopenhagen. Um 17.00 machen wir an der Langelinie fest.
7. September, Donnerstag
Vormittags regnet es Bindfäden in Kopenhagen, mittags klart es auf und um 14.00 legen wir in feinstem Sonnenschein ab und nehmen Südkurs auf Dragör. Unser Liegeplatz dort lädt nicht zum Grillen ein, aber beim netten Bootsclub nebenan dürfen wir Grill und Terrasse nutzen. Auch das Dorf liegt dänisch-freundlich hinterm Sandstrand und lädt auf einen Bummel ein. Wir heizen am späten Nachmittag die Sauna, danach den Grill beim Clubhaus. Eine halbe Stunde vor 21.00, passend zum gemütlichen Teil des Abendessens, bekommen wir ganz überraschend eine partielle Mondfinsternis geboten. Über den oberen Rand des kugelrunden Vollmondes wandert der Erdschatten.
8. September, Freitag
Dieser Tag beginnt wie der gestrige aufhörte, mit einem wunderbaren Himmelschauspiel. Im Osten geht über der schwedischen Küste die Sonne auf. Aber wie. Dazu weht ein frischer Nordwest und ab 6.10 segeln wir südwärts im Drogden-Fahrwasser. Schnell und gut gelaunt geht es zur Insel Mön, wo wir am Nachmittag in Klintholm festmachen. Die Kreidefelsen strahlen im Sonnenschein, das Barometer steigt und als wir um 16.30 wieder ablegen, sausen wir vor dem Wind auf die Insel Hiddensee zu. Vor Mitternacht flitzen wir durch Gellenstrom und Barhöfter Rinne. Stralsund kommt in Sicht.
9. September, Samstag
Um 0.40 ist die Reise zuende. Bis direkt vor den Hafen konnten wir segeln. Nun liegen 640 Seemeilen seit Bergen, 5737 sm seit Lögstör hinter uns. Wir haben so viel erlebt, im Winter wird uns nicht langweilig werden beim Fotos angucken, Geschichten erzählen, Tagebuch lesen. Norwegen und Russland lassen uns nicht mehr los.
Das Wichtigste aber ist: Alle sind heile und unverletzt in ihren Zielhäfen angekommen. Dem Schiff geht es gut, es ist stolz auf seine größte Reise: Barentssee, Pechorasee, kein Ewer vor der Petrine ist je dorthin gesegelt.