Abenteuer Nordkap: Im Licht der Mitternachtssonne
Samstag, 21. Juni
Schon sehr früh müssen die ersten ihre Heimreise mit dem Bus nach Narvik antreten. Die anderen machen rein Schiff und sehen sich anschließend in der Stadt um. Heute beginnen in Harstad die Nordlands-Festspille mit vielen Konzerten und anderen Veranstaltungen. Es wird also nicht langweilig werden, auf die Neuanreisenden zu warten.
Sonntag, 22. Juni
Im Laufe des Tages treffen alle unsere neuen Mitsegler gesund und teils etwas erschöpft von der langen Zugreise in Harstad auf dem Schiff ein. Um 21.30 Uhr legen wir ab und können schon bald Segel setzen. Kurs Nord zur westlichen Außenküste von Senja, der größten aller norwegischen Inseln.
Montag, 23. Juni
Wir kreuzen langsam durch die bewölkten Nachtstunden und legen pünktlich zum Frühstück in Skrolsvik an. Ein ehemaliger Fischhandelsplatz, von dessen Geschichte ein Heilbutt-Museum zeugt. Hier sehen wir Bilder mit 4 Meter langen Heilbutts und ein zufällig anwesender Handwerker (eigentlich hatte das Museum heute geschlossen) erzählt uns sachkundig von der Bedeutung dieses Fisches in der nordnorwegischen Kultur. Skrolsvik gefällt uns gut, liegt aber an der Südküste von Senja, sodass wir hier heute Nacht keine Mitternachtssonne sehen werden. Heute ist aber die Johannisnacht, das große Mittsommernachtsfest und wir wollen es gern mit dem Anblick der mitternächtlichen Sonne krönen. Also verholen wir uns von 13.00 bis 16.30 nach Rödsand, einem kleinen Fischerdörfchen mit freiem Blick nach Norden. Was in Skrolsvik nur noch als Museum nachwirkte, steht in Rödsand noch in voller Blüte: Das Leben mit und vom Fisch, der hier im äußersten Norden die Grundlage menschlicher Existenzmöglichkeit ist. Der Hafen liegt voller Fischerboote, sodass wir gleich bei zweien längsseits gehen müssen. Rings um den Hafen liegen kleine rote Fischerhütten und überall liegt Fischereigerät herum. Die Fischer begrüßen uns freundlich und besichtigen interessiert unser Schiff.
Beinahe die ganze „Nacht“ hindurch sitzen wir mit Grill und kleinem Feuer auf den Felsen, beobachten den Lauf der Sonne vor dem Panorama des Fjords und der schneebedeckten Hochgebirgsgipfel. Stundenlang liegt alles im sanften Licht der niedrigstehenden Sonne, stundenlang wird gesungen, gelauscht, musiziert, erzählt und kaum dass sich jemand beklagt, noch keine Wale gesehen zu haben, taucht eine Gruppe Schweinswale ganz in der Nähe auf.
Dienstag, 24. Juni
In praller Sonne und völliger Flaute verlassen wir um 9.00 Uhr den gastlichen Hafen Rödsand und fahren unter Maschine an der Westküste von Senja gen Norden. Ab mittags können wir in leichtem Nordwind nach Osten segeln. Eine kahle Küste begleitet uns, beinahe menschenleer, bis 800 Meter hoch und mit tiefen Buchten und Fjorden, die im Sonnenschein glitzern. Entlang der Nordkueste koennen wir sogar mit maessiger Fahrt segeln und puenktlich zum Abendessen gehen wir bei der Vogelinsel Hekkingen zu Anker. Um 22.00 Uhr kommt Westwind auf und wir segeln weiter in den Malangen-Fjord, alle Segel gesetzt, Sonnenschein die ganze Nacht.
Mittwoch, 25. Juni
Morgens ankern wir ein paar Stunden, um auf die richtige Tide zu warten. Das muntere Vogelgezwitscher um uns herum lockt einige aus der Koje. Die grünen Berghänge und der glitzernde, spiegelglatte Fjord sorgen für eine wunderbare, friedliche Morgenstimmung. Um 6.00 Uhr hat der Strom gekentert und wir motoren 3 Stunden nach Tromsø, der einzigen grossen Stadt in Nord-Norwegen. Sonnenschein, Waerme und von überall in der Stadt tolle Blicke auf den Fjord und die Hochgebirgsgipfel der Umgebung: Wir genießen die Stadt und bleiben doch überall ganz nah an der Natur. So ist Tromsø.
Donnerstag, 26. Juni
Morgens wird noch allerhand erledigt und eingekauft in Tromsö und um 13.00 Uhr legen wir ab. Gegen mässigen Nordwind kreuzen wir im Tromsösund. So können wir uns die Stadt noch einmal ausgiebig vom Wasser aus ansehen und staunen, wieviel hier gebaut wird, wie schnell die Stadt wächst und wie sehr der Hafen erweitert wurde seit 1968, dem Jahr als unsere Seekarte gedruckt wurde. Um 20.00 Uhr haben wir den Grötsund erreicht und der Wind schläft ganz ein. Mit Maschine geht es ostwärts und dann weiter nordwärts durch den Langsund.
Freitag, 27. Juni
Um 1.00 Uhr stoppen wir nördlich Karlsöya für ein Weilchen, um Fische zu fangen. Es fängt an zu regnen, zum ersten mal seit 2 Wochen und leichter Wind kommt auf. Bis morgens um 7.00 Uhr können wir mit sehr langsamer Fahrt segeln; um 9.45 Uhr machen wir im Lauksund fest auf der Insel Arnöya. Wir nutzen den nieseligen Tag zur Entspannung, um unsere Fischreserven zu ergänzen und zu einer kleinen Wanderung in den Schnee. Auf etwa 400 Metern kommen wir zu einem Schmelzwassersee, der teilweise noch zugefroren ist. Um 18.00 Uhr legen wir ab, setzen so nach und nach alle Segel und nehmen Kurs auf den Kvaenangsfjord bei Skjervöy. Die Zinnen der Kvaenangsberge, die über 1000 Meter direkt aus dem Fjord aufsteigen, sind auch dann noch einmalig und atemberaubend schön, wenn man schon seit 5 Wochen an der norwegischen Küste unterwegs ist. Zu ihren Füssen liegt Schnee bis zum Fjord hinunter.
Samstag, 28. Juni
Vor dem Jökelfjord bleibt der Wind weg. Wir tuckern weiter und gehen um 4.30 Uhr in einer Bucht mit sehr klarem Wasser zu Anker. Zu hören sind hier nur Wasserfälle, Möwengekreische und Vogelgezwitscher. Nach dem Frühstück bringt das Beiboot Wandersleute ans Ufer. Sie sehen vergletscherte Berge, darin sanft von Wiesen eingebettet einen traumhaft schönen See. Alle Arten von Moosen, Kräuter, wilde Orchideen, die gelbe Trollblume und der weisse Gletscherhahnenfuss wachsen hier. Im Laufe des Tages klart es auf und nachmittags fahren wir ganz bis zum Ende des Jökelfjordes. Hier wächst nun nicht mehr viel, die Hänge ragen steil, felsig und kahl aus dem Fjord heraus. Dafür haben wir freien Blick auf den einzigen Gletscher Europas, der direkt ins Meer kalbt.
Wir motoren weiter zur Insel Spildra im Kvaenangsfjord und machen dort fest. Die Dorsche, Köhler und Rotbarsche von gestern werden spitzenmässig zu Backfisch verarbeitet, die Sauna wird geheizt und die Blicke gehen immer wieder zu den Berggipfeln des Kvaenangen hinüber, die kaum 10 km entfernt in der Mitternachtssonne funkeln.
Sonntag, 29. Juni
Morgens um 6.00 Uhr, bei wolkenlosem Himmel und strahlendem Sonnenschein segeln wir mit leichtem achterlichem Wind aus dem Kvaenangenfjord. Wir setzen das Beiboot aus und fotografieren die Petrine mit allen Segeln vor dieser unglaublichen Hochgebirgs-Kulisse. Ausserhalb des Fjords kommt der Wind aus Ost und wir müssen kreuzen. Bei diesem Sonnenwetter und leichtem Wind das reine Vergnügen, auch wenn wir kaum vorwärts kommen. Ganz langsam nähern wir uns der Westküste von Söröya, einer kahlen, steil aufragenden Tundrainsel voller Schneefelder. Die Sonne scheint die ganze Nacht und gelegentliche Flauten werden zum Angeln genutzt. Erstmals wird auch ein Seewolf gefangen.
Montag, 30. Juni
Mittags starten wir die Maschine und fahren die Südküste von Söröya entlang. Um 15.00 Uhr fällt der Anker im Husfjord bei immernoch feinstem Sonnenschein. Die warme Luft lässt uns die Wassertemperatur ignorieren und wir verbringen den Nachmittag mit Gaffelspringen. Vor dem Hintergrund der Gletscher von Seilland und in kristallklarem Wasser feiern wir „das nördlichste Gaffelspringen der Welt“. Auf den Berghängen sehen wir Rentiere, die auf kunterbunten Blumenwiesen weiden. Gegen Abend landen Seewolf, Köhler und Dorsche auf dem Grill; ein ruhiger Abend mit Kräutersammeln auf den Wiesen und Buchterkundungen mit dem Beiboot.
Dienstag, 1. Juli
Um Mitternacht gehen wir Anker auf und fahren quer übern Sund nach Hammerfest. Es ist völlig windstill, das Wasser glatt wie ein Spiegel und die Mitternachtssonne taucht alles in ein magisches Licht. Zwei Fischer tuckern vorbei, grüßen freundlich, auch sie haben es sich mit einem Käffchen an Deck in der Sonne bequem gemacht. Um 4.00 Uhr sind wir fest im verschlafenen Städtchen Hammerfest.
Und um 6.00 Uhr kommt plötzlich viel Leben in den Hafen: Wassertaxis bringen hunderte von Arbeitern zur Großbaustelle auf der vorgelagerten Insel Melköy. Hier entsteht der Anlandungsterminal für die Gasvorkommen in der Barentsee, 55 Milliarden Kronen werden investiert, 1400 Leute arbeiten dort, die Wassertaxis fahren alle 10 Minuten zur Baustelle. Das wir auf ihrem Anlegeplatz liegen stört nicht weiter, Zeit für einen kleinen Umweg haben sie. Solche Großprojekte ändern erstmal nichts an der ortsüblichen Gelassenheit.
Nach diversen nötigen Erledigungen in der Zivilisation legen wir um 14.00 Uhr ab, fahren an der Großbaustelle vorbei und können im Söröysund Segel setzen. Wir kreuzen nordostwärts, später abends treiben wir nur noch mit wechselnden schwachen Winden. Gerd fängt in der Flaute einen Dorsch von 1,20 Meter Länge! Wiegen ist leider mit Bordmitteln nicht möglich.
Mittwoch, 2. Juli
Die Mitternachtssonne wird uns heute durch ein nebeliges Schauspiel verschönert: Von See her schieben sich dichte, weisse Nebelbänke in die Sunde und Fjorde. Wie ein Gletscher umfliessen sie die Inseln, deren Gipfel aus dem Nebel herausragen. Manchmal werden sie auch sanft und durchscheinend eingehüllt oder der Nebel steigt an der Luvseite einer Insel empor und wird dann von den Sonnenstrahlen aufgelöst. Währenddessen segeln wir langsam im Sonnenschein und Eissturmvögel umlauern das Schiff in der Hoffnung auf Fischabfälle. Dabei gackern sie genau wie Hühner, die ein Ei gelegt haben. Um 4.00 Uhr tasten wir uns vorsichtig durch Nebelschwaden in eine Ankerbucht an der Südküste der Insel Rolvsöya. Hier wollen wir auf Wind warten.
Nach dem Frühstück kommt Nordwind auf und um 9.00 Uhr setzen wir Segel. Kreuzend arbeiten wir uns nach Norden, vorbei an den Inseln Havöy und Hjelmsöy, fasziniert vom Schauspiel der Nebelbänke rings um die baumlosen, felsigen Inseln. Nun ist das Nordkapp nicht mehr weit entfernt! Aber der Wind weht aus Nordost, genau von vorne…
Donnerstag, 3. Juli
Langsam und mühsam kreuzen wir gen Norden, vorbei am größten Vogelfelsen Europas, dem Storstappen, der eine Million Brutpaare beherbergt. Um uns her fliegen und tauchen Basstölpel, Alke, Teisten, Papageientaucher und ein Zwergwal wird auch gesichtet. Um 5.00 ist der nördlichste Punkt Europas, der Knivskjellodden, nur noch 2 Seemeilen entfernt, aber der Wind nimmt ständig ab und die Kabbelsee um uns wird schlimmer. Egal, wir wollen unbedingt unter Segeln um den Knivskellodden und ums Nordkap, das 2 Seemeilen weiter ostsüdöstlich liegt. Mit allen Tricks „tragen“ wir die Petrine durch die Wende und um Viertel vor acht haben wir es beinahe geschafft, es fehlen nur wenige hundert Meter, also noch eine Wende: Ruder hart Backbord, Besan back halten, Vorsegel loswerfen, Besan noch weiter herumdrücken, Vorsegel back drücken, es nützt nichts, die Wellen sind stärker, der Wind und wir zu schwach. Und der Knivskjellodden mittlerweile viel zu nah! Also Maschine starten. Aber die Maschine macht nur einmal müde „wopp“ und fällt in Tiefschlaf zurück. Europas nördlichster Felsen, an den wir uns viele Stunden herangekreuzt haben, erscheint plötzlich viel zu groß, zu nah und zu bedrohlich. Wenn er doch bloss weit weg wäre oder sich in Luft auflöste! Tut er nicht, dafür springt die Maschine aber im zweiten Versuch an und wir drehen in Steinwurfweite nach Norden ab. Ausreichend frei vom Felsen, bringen wir die Segel wieder an den Wind, stoppen die Maschine und peilen das Nordkapp an. Es liegt gut sichtbar mit Weltkugel und Panoramahalle nur noch 2 Seemeilen entfernt. Alle werden aus den Kojen geholt, wir machen ein paar schöne Fotos von Nordkapp und Knivskjellodden und segeln nach Norden, um diesmal genügend Seeraum zu haben. Einmal wenden wir noch unter Anwendung aller Tricks – dann schläft der Wind völlig ein. Wir dümpeln in der Kabbelsee, verfrühstücken erstmal feierlich und gut gelaunt die frisch gebackenen Nordkappbrötchen und den vorbereiteten Nordkappkuchen. Derweil zieht dichter Nebel auf und eine fiese Strömung versetzt uns südwärts, auf Europas nördlichsten Felsen zu. Den kennen wir schon, da wollen wir auf keinen Fall noch mal hin! Also wird die Maschine gestartet, die Segel werden geborgen und dann gehen außer der Wache alle wieder in die Kojen. Um 10.00 Uhr knattern wir im Nebel am Nordkapp vorbei. Auf dem Radar ist es gut zu erkenen.
11.00 Uhr sind wir fest in Skarsvaag. Alles, was es hier gibt, ist „das nördlichste der Welt“, oder wenigstens Europas. Uns kümmert das nicht mehr so sehr, wir wissen jetzt, dass diese nördlichsten Dinge auch bedrohlich nah rücken können. Wir ruhen uns von den Abenteuern der letzten beiden Tage aus und heizen abends die Sauna. Die nördlichste Sauna Europas!
Freitag, 4. Juli
9.00 Los in Skarsvaag, von der Pier der freundlichsten – und übrigens auch nördlichsten – Fischverarbeitung der Welt. Hier haben wir Liegeplatz, Strom, Wasser, eine Mütze, Besichtigung und sogar ein Auto geliehen bekommen. Auf See treffen wir auf schwachen Ostwind und Kabbelsee. Segel hoch, wir kreuzen auf in Richtung Nordkinn, dem nördlichsten Felsen des europäischen Festlands. Wir wollen unter Segeln rum!
Samstag, 5. Juli
Um 2.30 Uhr machen wir in Kjöllefjord fest, ein kleines arktisches Städtchen zwischen barschen Felsklippen und Geröllfeldern und mit gepflegten bunten Häuschen. Ans Nordkinn war nicht zu denken; 15 Stunden sind wir gegen schwachen Nordostwind gekreuzt, haben dann mit Maschine die letzten 12 Meilen nach Kjöllefjord zurückgelegt. Tagsüber gehen wir spazieren in karger Tundralandschaft oder in einem zugewachsenen Flusstal, von den Einheimischen liebevoll „Wald“ genannt. Wundervoll ruhig, wohlriechend und klar ist es hier, besonders bei diesem windstillen, bedeckten Himmel. Um 15.00 Uhr setzen wir Segel im Hafen und gleiten gemächlich fjordauswärts. Es empfängt uns der immergleiche schwache Nordostwind. Also kreuzen wir.
Sonntag, 6. Juli
Wir fahren ein paar Stunden mit Maschine, um die Nordkinn-Halbinsel zu passieren und segeln dann hoch am Wind in den Tanafjord hinein. Nach ein paar Kreuzschlägen ums Tanahorn machen wir um 14.40 Uhr in Berlevaag fest. Es ist windstill, es nieselt, es ist kalt. Die Spaziergänge durch den Ort fallen kurz aus, die Auszeiten in der Koje oder beim Lesen und Kuchenessen im Salon dauern entsprechend länger.
Montag, 7. Juli
Morgens um 7.00 Uhr weht ein leichter Nordwest in Berlevaag. Außerdem hat es aufgehört zu regnen. Um 9.00 Uhr legen wir ab und treffen vor dem Hafen auf eine Dünung aus Nordost in der wir heftig herumschaukeln. An Segeln ist dabei nicht zu denken. So freuen wir uns an der felsigen Küste der Varangerhalbinsel. Die Lofoten sehen aus, als seien sie soeben erst erschaffen worden; hier an der Varangerküste könnte man meinen, die Landschaft sei noch ganz unfertig, es sei nur erstmal das Material herangeschafft worden. Um 14.00 Uhr fahren wir in den Syltefjord und stoppen die Maschine zum Angeln. Rasch kommt ein Abendessen zusammen und hier können wir Segel setzen und ganz bis zum Ende des Fjords segeln. An der Mündung des Sylteford-Flusses fällt der Anker. Hier gibt es nur eine samische Sommersiedlung, Rentiere und ein paar Ferienhäuser. Im Winter wohnt hier niemand und das wundert uns auch nicht.
Dienstag, 8. Juli
Den Vormittag nutzen wir, bei strahlendem Sonnenschein in der endlosen arktischen Heidelandschaft umherzulaufen. Kleine Wildbäche haben tiefe Canyons in die Bergrücken gegraben, bis zum Fjord herunter gibt es überall Schneefelder und die einzigen Geräusche in dieser Einsamkeit sind das Vogelzwitschern und das Säuseln des Windes, der über Steine und Wacholder streicht.
Nachmittags gehen wir Anker auf und tuckern aus dem Fjord hinaus, noch einmal vorbei am großartigen Vogelfelsen Syltestraumen mit hunderttausenden von Brutpaaren. Die Sonne scheint, es weht ein frischer Wind, leider aus Südosten, sodass wir wieder kreuzen können. Aber es ist ein angenehmes Kreuzen in ruhiger See, beschienen von der Sonne bis nach Mitternacht. Aber auch die Sonne kann die Luft heute nicht über 5 Grad erwärmen. Es ist schneidend kalt, aber wunderschön mit der blauen See, den braunen und grünen Bergen, den vielen Luftspiegelungen um uns herum.
Mittwoch, 9. Juli
Morgens um 6.30 Uhr machen wir in Vardö fest, der östlichsten Stadt Norwegens, Ausgangs- und Endpunkt vieler Polarexpeditionen. Ein riesengroßer Hafen zwischen 2 Inseln mit bunten Häuschen, einer Festungsanlage aus dem 18. Jahrhundert und einer riesigen Richtfunkantenne aus dem 20. Jahrhundert, denn hier war die einzige direkte Grenze zwischen Sowjetunion und NATO. Hafen, Festung und Lauschanlage haben alle ihre gute Zeit hinter sich und das merkt man leider auch den bunten Häuschen an. Die Einwohnerzahl von Vardö ist in den letzten 10 Jahren um ein Drittel zurückgegangen, wie in so vielen Fischersiedlungen an der Finnmarksküste. Heute aber scheint die Sonne, viele Leute sind unterwegs und wir mischen uns drunter. Der Sonnenschein wärmt die Stadt auf, sodass wir heute auf Mütze und Mantel verzichten können. Aber sobald man auf den Hügeln ringsum im schneidend kalten Ostwind steht, frieren einem die Ohren ab. Es herrscht reges Interesse an der Petrine; wir werden interviewt, fotografiert und gefilmt. Um 15.00 Uhr legen wir ab und stampfen uns gegen hohe Wellen frei von der Insel. Dann geht es südwestwärts über den Varangerfjord mit raumem Wind. Zum ersten mal seit 4 Wochen segeln wir nicht hoch am Wind! Einigen bekommt der ungewohnte Kurs bei 2 Meter Welle nicht besonders gut…
Donnerstag, 10. Juli
Um 2.00 Uhr fällt der Anker in einer engen Bucht, von hohen Felsen umgeben. Wir schlafen aus, wir frühstücken lange, einige erkunden trotz Nieselregen die Berge ringsum, die meisten lesen. Abends kommt dann die Sonne raus und nach der Sauna springen wir ins klare, kalte Wasser in einer sonnengefluteten, wunderschönen Ankerbucht.
Freitag, 11. Juli
Um 6.00 Uhr gehen wir Anker auf. Bei leichtem Nordwind, wolkenlosem Himmel und kräftigem Sonnenschein segeln wir gemütlich die letzten Meilen nach Kirkenes. Es waren wunderschöne 7 Wochen, überaus begünstigt vom schönen Wetter und von der tollen Stimmung an Bord während der ganzen Zeit, vom Start morgens um 4.00 Uhr im nebeligen Hirtshals bis zur sonnigen, warmen Ankunft in Kirkenes. Um 10.00 Uhr sind wir fest. Alle Mitsegler und das Schiff sind sicher angekommen. Die Heimreisenden verlassen uns um 13.00 Uhr mit Mietwagen in Richtung Rovaniemi, Finnland.
Die Norwegenreise ist zu Ende. Das macht ein bisschen wehmütig. So, als habe man ein besonders schönes Buch ausgelesen.