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Eine Woche auf See: Zurück über die Ostsee.

Samstag, 16. August
Die Russlandreisenden verlassen uns um 18.00 Uhr und treten ihre Heimreise an. Um 19.00 Uhr ist die Gruppe der Ostseesegler vollzählig an Bord. Überraschenderweise sind viele zum ersten mal auf einem Segelschiff. Und dann wollen sie gleich die ganze Ostsee in einer Woche durcheilen? Mutige Leute! Um 21.00 Uhr legen wir in Helsinki ab und tuckern südwärts durch die vorgelagerten Schären. Um 23.00 Uhr setzen wir die Segel und nehmen bei mäßigem Nordwestwind Kurs Südwest auf die zentrale Ostsee

Sonntag, 17. August
Dies wird ein wunderschöner Segeltag bei Sonnenschein und halbem Wind. In den ersten Nachtstunden passieren wir die letzten finnischen Schären bei Porkkala, am frühen Nachmittag sehen wir an Backbord die estnische Insel Hiumaa. Der Leuchtturm Köpu, der älteste in der ganzen Ostsee, begleitet uns in der Dunkelheit bis nach Mitternacht.

Montag, 18. August
Um 2.00 Uhr sehen wir am nördlichen Himmel Nordlicht! Es ist das erste mal, dass von Bord der Petrine Nordlicht zu sehen ist. Stundenlang begleiten uns die ständig wechselnden Lichtkaskaden, mal kaum zu sehen, mal deutlich und hell. Nach Sonnenaufgang schläft der Wind ein und wir fahren weiter nach Südwesten unter Maschine. Um 17.00 Uhr machen wir in Lauterhorn auf der schwedischen Insel Faarö fest. Am Strand entlang wandern wir zu den Raukars, 12 Meter hohen, aufrecht stehenden Felsen am Strand.

Dienstag, 19. August
Um Mitternacht legen wir ab, tuckern durch sternenklare Nacht an der Westküste Gotlands entlang. Um 3.00 Uhr können wir Segel stzen und um 6.00 Uhr machen wir in Visby fest. Schönste Stadt Nordeuropas, Traum aller Ostseesegler, heute morgen ganz einsam und verlassen. Im Nieselregen haben wir die Stadt beinahe für uns alleine. Leider nicht für lange: Der Wetterbericht verlangt, dass wir bereits um 10.30 Uhr wieder ablegen mit Ziel Kalmarsund. Bald soll es Westwind geben.

Um 10.30 Uhr legen wir in Visby ab, setzen vor dem Hafen alle Segel und nehmen Kurs auf den nördlichen Kalmarsund. Um 18.30 Uhr haben wir die Nordspitze Ölands an Backbord und segeln in den 90 Seemeilen langen Sund. Kurz nach Sonnenuntergang verlässt uns die westliche Brise und wir müssen die Maschine starten.

Mittwoch, 20. August
Um 3.45 Uhr unterqueren wir die Ölandsbrücke und eine halbe Stunde später können wir wieder Segel setzen. Mit der Sonne kommt auch der Westwind zurück. Mittags dreht er immer weiter südlich und nimmt erheblich zu. Um 14.40 Uhr fahren wir in das Schärengebiet bei Karlskrona ein. Hier ist es wieder ruhiger und die wunderschönen Felseninselchen erfreuen das Auge. Leider versperrt uns eine neu gebaute Brücke das Fahrwasser nach Karlskrona. Um 16.40 Uhr machen wir an einer kleinen Schäre fest und feuern den Saunaofen an. Abends brennt ein gemütliches, wohlriechendes Wacholder-Feuerchen an Land. Wir grillen und machen Musik bis nach Mitternacht.

Donnerstag, 21. August
Früh um 5.30 Uhr räumen wir die Feuerstelle auf, legen ab auf der besonders schönen Schäre Svenör und suchen uns einen Weg durch die Felsen auf die offene See. Hier bläst uns dann ein frischer Südwest genau entgegen. Mit Maschine tuckern wir gegenan und machen um 13.00 Uhr auf der Insel Hanö fest. Hier warten wir auf günstigeren Wind. 130 Seemeilen sind es noch bis Stralsund… Auf der Insel Hanö finden wir neben vielen Brombeeren, einem Leuchtturm und einem hübschen Dörfchen vor allem einen Zauberwald. Unter knorrigen Bäumen liegen riesige Findlinge, moosbewachsen und moderduftend. Die Sage geht von einem Drachen, der hier gelandet sei, aber niemand wäre überrascht, hier Trolle oder Nissen zu sehen. Kein Sonnenlicht würde sie verschrecken, ihnen leuchtete nur flimmerndes Grünlicht, von Nadeln und Blättern gemildert. Um 21.00 legen wir bei ruhigem Wetter ab und motoren durch die Dunkelheit nach Süden.

Freitag, 22. August
Um 6.00 Uhr entscheiden wir uns, nicht in Schweden zu bleiben, sondern die Überfahrt nach Rügen zu wagen. Der wetterbericht droht mit Südwest 6 bis 7, noch ist es ruhig. Ab 10.00 Uhr machen wir noch 2 bis 3 Knoten gegen eine beeindruckende Welle. Wir setzen gerefftes Groß und gerefften Besan, um etwas mehr Fahrt zu machen und etwas weniger zu schaukeln. Am frühen Nachmittag, bei satten 7 Windstärken reißt das Schothorn des neuen Großsegels ab. Zweifach gerefft können wir es erneut setzen und uns mühsam nach Süden vorwärtskämpfen. Um 18.00 Uhr erreichen wir den Landschutz der Stubbenkammer und um 19.30 Uhr machen wir in Sassnitz fest. Auf dem Schiff gibt es einiges zu reparieren, aber die Besatzung ist wohlauf, alle haben die Gewalttour gut überstanden und sind froh, es trotz widrigen Wetters bis Deutschland geschafft zu haben.

Samstag, 23. August
Heute wird gearbeitet auf der Petrine. Klar Schiff, Segel nähen, Großklau neu vernieten, Antennenkabel neu verlegen. Alle Ostseesegler und die verbliebenen Russland- und Norwegensegler reisen im Laufe des Tages heim. Dann denken wir nicht mehr an den Bruch von gestern, dann träumen wir von Mitternachtssonne und Nordlicht, von schneebedeckten Bergen, unbewohnten Küsten und einer sternenklaren Nacht über der Ostsee. Ich würde monatelang nicht müde, von diesen 3 Monaten zu träumen und alles noch einmal zu erleben.

Über den Autor
Jochen Storbeck segelt seid 1991 mit der Petrine