1. Nordmeertörn – Die Fjorde
Samstag, 20. Mai 2006
Die Petrine liegt in Lögstör im Limfjord, fertig bebunkert mit allem, was man braucht, um über die Nordsee nach Norwegen zu segeln. Warum in Lögstör? Weil für die kommenden Tage Westwind angesagt ist und wir uns im Limfjord westwärts verholen werden, bevor wir die Reise übers offene Meer wagen. Viel Wind ist außerdem angesagt…
Lögstör ist aber auch ein sehr schöner Ausgangshafen: Der „norwegischste“ Hafen in Dänemark, die ganze Stadt ist zum Wasser hin gebaut, mit vielen kleinen und großen Piers für Fischer, Berufsschiffe und Segelboote. So werden wir es in Norwegen noch oft sehen.
Um 20.00 Uhr kommt der Bus aus Flensburg an und wir verstauen Gepäck und Lebensmittel und verteilen die Kojen. Nach Abendessen, Wacheinteilung und Sicherheitseinweisung sind wir eigentlich klar zum Auslaufen. Aber erst wird ausgeschlafen!
Sonntag, 21. Mai
Um, 6.00 Uhr verlassen wir bei völliger Windstille den schönen Hafen von Lögstör. Durch diesiges Wetter tuckern wir westwärts über den Limfjord zur Nordsee. Die breiteren Teile des Fjordes nutzen wir zum Segeln Klick auf die Kamera öffnet das Bild in neuem Fenster. Wir üben Knoten, Manöver und den Umgang mit dem Schiff. Zeitweise weht es ordentlich aus Westen und so können wir auch das Reffen üben.
Leider kündigt der Wetterbericht auch für die kommenden Tage ein Tiefdruckgebiet nach dem anderen an. Ständig starker Wind aus West. Die beste Möglichkeit nach Norwegen zu kommen haben wir ab heute Abend: Südliche Winde um 6 Bft für mindestens 24 Stunden!
Um 18.00 Uhr machen wir in Thyborön fest und werfen von den Dünen einen Blick auf die Nordsee. Sieht gut aus. Der Wind dreht so langsam auf Südwest. Um 21.00 Uhr verlassen wir unseren letzten dänischen Hafen. Ziel ist die norwegische Westküste. 160 Seemeilen bis Jaerens Rev.
Montag, 22. Mai
In der Nacht beginnt es heftig zu regnen, der Wind nimmt ordentlich zu und in den ersten Morgenstunden machen wir rasante Fahrt mit Nordwestkurs. Der Seegang ist leider entsprechend und so manche Wache ist nur eingeschränkt einsatzfähig. Am Nachmittag nimmt der Südwind ab und der Wetterbericht droht für die kommende Nacht mit Starkwind aus Nordwesten. Das können wir nun gar nicht gebrauchen und so nutzen wir die letzten Abendstunden, um in der Flaute nach Egersund zu motoren. um 21.30 Uhr machen wir dort im Hafen fest. Es ist diesig, es regnet, aber es duftet wunderbar nach Norwegen: Wacholder, Fischkutter, Felsen ringsumher, dazu hört und sieht man ueberall das Wasser gurgeln und gluckern. Wir sind angekommen.
Dienstag, 23. Mai
Wir bleiben heute in Egersund, denn selbst hier in der Stadt, zwischen hohen Bergen, pfeift uns ein kräftiger Wind um die Ohren. Wir waschen uns, das Schiff und die Wäsche, bummeln durch die Stadt und warten auf besseren Wind zur Weiterfahrt an die Westküste. Der ist für heute Nacht angekündigt und so laufen wir um 21.00 Uhr aus mit Ziel Bergen. Auf See erwartet uns eine moderate Dünung, was ein Glück, nachdem es doch heute den ganzen Tag so geweht hat!
Mittwoch, 24. Mai
Um Mitternacht setzen wir Segel und machen besonders in den frühen Morgenstunden flotte Fahrt in sicherer Entfernung von der Küste. Mittags passieren wir die Insel Utsira und nachmittags segeln wir platt vorm Laken in den Bömlafjord hinein. Für uns ein erster Eindruck von Fjorden und Bergen. Abends lässt der Wind nach, Abendsonne scheint gelegentlich. Gemütlich segeln wir nach Norden mit Abendsonne bis kurz vor Mitternacht.
Donnerstag, 25. Mai
Um 6.45 Uhr machen wir in Bergen fest. Bei ungewöhnlich schönem Wetter schauen wir uns die Stadt an. Nachmittags gibt es Rhabarberkuchen, weil Agge heute Geburtstag hat und um 16.30 Uhr legen wir ab und segeln im Byfjord nach Norden. Bei feinstem Sonnenschein und wunderbarer Aussicht verkraften wir es leicht, dass zum Abendessen die Maschine gestartet werden muss um die Sunde und Engstellen auf dem Weg zum Sognefjord zu passieren. Wir sitzen an Deck und freuen uns an der schönen Landschaft und den Häuschen am Ufer. Um Mitternacht fällt der Anker in der Wikingerbucht, einem baumlosen Naturhafen eben südlich des Sognefjord.
Morgens um 6.00 Uhr gehts weiter. Heute weht es aus Norden und wir müssen mit Maschine fahren. Um 9.30 Uhr machen wir Päuschen an einem kleinen, verlassenen Fischanlandeplatz auf einer kleinen, idyllischen Schäre. Wir trocknen Wäsche, backen Kuchen und liegen auf der Schäre zwischen den Felsen im Gras. Mittags gehts weiter zum Norske Hesten, dem „norwegischen Pferd“, einer 480 Meter hohen Insel, deren Geröllfelder zu allen Seiten steil ins Meer herabfallen.
Es gibt einen Naturhafen an der Südküste, wo wir prima windgeschützt liegen können. Beinahe alle unternehmen den mühsamen Aufstieg auf das Hochplateau und werden dort mit einer sagenhaften Fernsicht belohnt. 200 km ringsum können wir das Inselmeer und die 2000 Meter hohen Berge im Osten sehen. Schneefelder, Gletscher, dazwischen die Schluchten der Fjorde. Und nach Westen hin das Inselgewirr von Vaerlandet, der westlichsten Inselgruppe Norwegens.
Samstag, 27. Mai
Ein leichter Wind weht aus Südost und ab 6.00 Uhr segeln wir mit 3 bis 5 Knoten sehr gemütlich zwischen den Inseln nach Norden. Gegen Mittag passieren wir Florö und so langsam kommt das berüchtigte Kap Stattland in Reichweite. Heute könnte es dort ruhig genug sein, um es zu umfahren… Zunächst bewundern wir noch das Fjell des Bremangerlandes, knapp 1000 Meter hoch ragt es aus dem Fjord hinaus, oben liegt Schnee und viele Wasserfälle rauschen die Wand hinunter.
Am späten Abend umrunden wir das gefährliche Kap Stattland, das heute Nacht in tiefem Schlaf liegt und uns ohne größere Schaukelei passieren lässt.
Sonntag, 28. Mai
Um 3.15 machen wir in Aalesund fest. Stadt und Umgebung sind besonders einladend und wir beschliessen beim Frühstück, heute hier zu bleiben. Einige unternehmen einen Busausflug zum Geirangerfjord, die anderen sehen sich die Stadt an und besteigen den Hausberg. Der Blick von dort zeigt uns alle Schönheiten Norwegens: Fjorde, Gletscher, Inseln und Schären, Wasser von blau über grün bis schwarz gefärbt, Heide und Birkenwälder und nicht zuletzt die Stadt Aalesund selber, die nach einem Stadtbrand Ende des 19. Jahrhunderts komplett im Jugendstil neu gebaut wurde. Um 22.00 Uhr sind alle Ausflügler vom Geirangerfjord begeistert wieder an Bord und wir legen ab. Die Fjorde von Möre und Romsdalen sind unser Ziel.
Montag, 29. Mai
In den frühen Morgenstunden können wir ein paar Stunden segeln, was sonst in den Fjorden ja meistens nicht möglich ist. Ganz am Ende des Romsdalfjordes liegt das Städtchen Andalsnes. Hier beginnt die berühmte Trollstigen-Passtraße und nachmittags fahren fast alle mit dem Bus die Passtraße hinauf. Die vielen gewagt in den Felsen gehauenen Kehren, der tosende Wasserfall und die steile Wand des Trollveggen werden bewundert, oben auf dem Gipfel sind wir dann aber in dichten Nebel gehüllt. Imposante Schneemassen türmen sich meterhoch auf beiden Seiten der Straße und auch der Souvenirladen ist ein Opfer der Schneemassen geworden. Eine Lawine hat ihn im vergangenen Winter fortgerissen.
Um 19.00 Uhr können wir tatsächlich tief im Fjord die Segel setzen und kommen flott in Richtung See vorwärts. Ein paarmal schläft der Wind ein, kommt kurzfristig von vorne und dann wieder böig von achtern. Aber Hauptsache, wir können segeln und dazu scheint die Sonne ringsum auf die großartige Hochgebirgslandschaft.
Dienstag, 30. Mai
Um 3.15 Uhr fällt der Anker in einer umwaldeten Bucht im Julssund. Die Ankerwache freut sich an der Umgebung, besonders am Vogelzwitschern in der Morgendämmerung, bevor es um 7.00 Uhr weiter geht, nordwärts im Julssund. Um 10.00 Uhr machen wir in Bud fest, zum Bunkern und für Spaziergänge in die nähere Umgebung. Nachmittags verholen wir wenige Meilen nach Björnsund, einer kleinen, verlassenen Fischersiedlung auf mehreren Felsen draußen im Meer. Heute gibt es hier nur noch Ferienhäuser und eine Sommer-Fischereischule für Schüler.
Die alten Häuschen sind aber schön erhalten. Bunt angemalt bieten sie einen tollen Kontrast zum grauen Meer dahinter und zu den ständig wechselnden Wolken über uns. Innerhalb von Minuten wechseln sich strahlende Sonne und Regenschauer ab, jedesmal werden See, Insel und Häuser in ein anderes Licht getaucht. Am schönsten ist es in der Abenddämmerung, die hier ab etwa 21.00 Uhr beginnt und beinahe bis Mitternacht dauert.
Mittwoch, 31. Mai
Für heute ist Nordwind angesagt, nicht das Richtige für uns. Wir frühstücken lange und werden dann von einem Arbeitsboot freundlich darauf hingewiesen, dass es nun Zeit für uns ist auszulaufen, damit sie den Anleger nutzen können. Kein Problem, wir fahren in den Sund hinaus zum Angeln, leider ohne Erfolg. Mittags machen wir in Haröysund an der Pier vor einem alten Kaufmannsladen fest.
Meist scheint die Sonne, der Kaufmann vertreibt Postkarten und Kekse, wir betreiben unseren Backofen und nachmittags um 16.00 Uhr sind wir beinahe schon zu träge, um noch aufzubrechen. Aber wir raffen uns auf: Die 30 Meilen bis Kristiansund wollen wir heute noch schaffen, trotz Nordwind und Schaukelei in der Hustadvika. Leinen Los, Tische und Bänke festgezurrt und hinaus gehts in die Hustadvika. Bis 21.00 ist es reichlich unbequem an Bord, dann sind wir wieder im Schutz der Fjorde. Gemütlich tuckern wir in der Abendsonne, im Süden das Hochgebirge mit Gletschern und Neuschnee oberhalb von 700 Metern. In Fjordnähe hat der Frühling längst begonnen, es blüht auf allen Wiesen, Vieh steht auf der Weide und die Wälder stehen in sattem Grün. Um Mitternacht fällt der Anker vor der Stabkirche von Kvernes.
Donnerstag, 1. Juni
Es ist windstill, die Sonne lacht, der Fjord lockt blau, wir setzen über, um einen Spaziergang zur Stabkirche zu machen. Gegen Mittag tuckern wir ein kleines Stückchen nach Kristiansund. Die Stadt ist auf vielen Inseln um den Hafen herum angelegt und besonders wegen dieser Lage lohnt sich der Besuch. Es ist ein ungewöhnlich geschäftiger Hafen mit Fischern, Fähren, Schnellbooten, Versorgern von Ölbohrinseln, Schleppern und Baggern und stets gibt es was zu gucken. Im Laufe des Tages trübt es sich erfreulicherweise ein, das Barometer fällt moderat. Alles Zeichen dafür, dass der versprochene Westwind kommen wird und uns vielleicht bis zum Polarkreis wehen wird. Um 20.00 Uhr verlassen wir den schönen Hafen und ausserhalb des Schutzes der Inseln von Kristiansund bläst uns ein frischer West in den Nacken. Die Segel hoch und Kurs Nordost in der Trondheimsleia!
Freitag, 2. Juni
In der Nacht zeigt sich der Wind zunächst noch unbeständig und wechselhaft; dennoch haben wir bis zum Frühstück die Trondheimsleia achteraus. Ab mittags beginnt ein strammer Südwest mit dem dazugehörigen Regen. Wir flitzen um die kahlen Inseln, die hier bereits wie im hohen Norden baumlos und kahlgewaschen im Dunst liegen. Bis zum Abend können wir noch ungerefft segeln, dann packen wir alles ein bis auf die Fock und das gereffte Groß. Um 19.00 Uhr geht es raus aus dem Inselschutz ins Follahavet. 3 Meter Welle, heftige Schaukelei und mit bis zu 8 Knoten Fahrt stürmen wir auf den Sund von Rörvik zu. Um Mitternacht halsen wir uns durch die Engstelle, die geografische und meteorologische Grenze zwischen Süd- und Nordnorwegen.
Samstag, 3. Juni
Der Nordteil der norwegischen Küste empfängt uns standesgemäß mit Regen und Kälte. Aber auch mit stürmischem Südwest, der uns wunderbar vorankommen lässt. Die Nacht ist hier nur noch eine vier-, fünfstündige Dämmerung. Beim Wachwechsel um 4.00 Uhr verlassen wir den Schutz der Insel Leka. Immer wieder gießt es in Strömen und alle sind froh, sich in Egersund, Bergen oder spätestens in Aalesund teures, supergutes norwegisches Regenzeug gekauft zu haben. Um 7.30 Uhr segeln wir durch den Hafen von Brönnöysund. Uns tröstet eine Meldung aus der Heimat: Bei Rock am Ring in der Eifel Regen und 3 Grad. Da haben wir es bestimmt 2 Grad wärmer. Auf den letzten Meilen werden wir noch einmal richtig schnell und um 13.30 Uhr nehmen wir vor Sandnessjöen die Segel weg. Die berühmten Sieben Schwestern, sieben eindrucksvolle Berggipfel oberhalb der Stadt, haben heute ihre Häupter zünftig verhüllt. Aus den tiefhängenden Wolken regnet es in Strömen. Wir machen die Heizung an, bunkern Trinkwasser und verholen uns abends an einen kleinen Steg ausserhalb der Stadt zum Saunieren. Nach 2 schwierigen Segeltagen und über 250 Seemeilen haben wir uns das redlich verdient.
4. Juni, Sonntag
Heute Morgen bleibt es lange ruhig auf der Petrine. Das Frühstück beginnt zögerlich um 10.00 Uhr, der Dauerregen hat anscheinend aufgehört und es beginnt aufzuklaren. Mittags setzen wir die Fahrt nach Norden fort, zunächst unter Maschine, dann kreuzen wir nordwestwärts zu den äußeren Inseln. Um 18.30 Uhr machen wir auf Lovunda fest. Die Insel umfasst eine Fläche von gerade mal 2 km im Quadrat, der Gipfel ragt 620 Meter aus dem Meer heraus. An den Geröllhängen nistet die größte Papageientaucherkolonie Europas und diese wird von uns noch bis nach Mitternacht ausgiebig beobachtet. Häufig wendet sich der Blick aber auch nach Norden, wo die Sonne bis Mitternacht nicht verschwinden will und das ganze Panorama der Inseln in wunderbares Licht taucht.
5. Juni, Montag
Auch heute lassen wir es ruhig angehen, es weht ein leichter, widriger Nordwind, die Sonne scheint. Bis Mittags bleiben wir auf Lovunda, das auch abseits der Papageientaucherfelsen viel schönes zu bieten hat: Bunte Häuschen, direkt ans Meer gebaut und mit Anlegesteg vor der Terrasse, liebevoll angelegte Gärten mit Blumen aller Art und ständig wechselnde Ansichten der Inselwelt ringsherum. Besonders der bizarre Kegel der vorgelagerten Insel Traena versetzt alle in Erstaunen. Ab 14.00 Uhr segeln wir mit Kurs Ostnordost auf die Küste zu. Der Polarkreis rückt nun in Sichtweite. Leichter Wind, strahlender Sonnenschein, dazu immer wieder neue Inselpanoramen. Hier hat die Natur wie ein Bildhauer gearbeitet und ihrer Phantasie dabei freien Lauf gelassen.
Um 18.30 Uhr naht der große Augenblick: Neptun und seine Gattin Thetis erscheinen festlich gekleidet an Deck und unterziehen die Neuankömmlinge im Reich der Mitternachtssonne diversen Prüfungen. Schwierige Fragen werden dank gründlicher Vorbereitung korrekt beantwortet, kulinarische Spezialitäten aus den finstersten Ecken von Neptuns Reich werden klaglos verspeist, Gattin Thetis wird durch Küssen des Fußes die gebührende Ehre erwiesen und zuletzt erhalten alle Täuflinge die Erlaubnis, die nördlichen Polargewässer zu befahren. Ein neuer, passender Name wird sie an ihre Taten und Untaten auf der bisherigen Reise erinnern.
Ab 20.00 Uhr schläft der Wind ein und es zeigen sich sogleich die positiven Folgen der Polartaufe: Die Angler holen endlich mal richtige Fische an Deck. Bis nach Mitternacht stehen wir vor der Mündung des Melfjordes herum, kleinerenteils um zu Angeln, größerenteils um das Licht der Mitternachtssonne auf den Berggipfeln und auf dem Gletscher des Svartisen zu bewundern.
6. Juni, Dienstag
Um 3.00 Uhr fällt der Anker in einer kleinen Ankerbucht im Nordfjord. So heißen in Norwegen mindestens 4 Fjorde, aber dieser hier ist trotzdem etwas ganz und gar besonderes. Die Berge steigen auf allen Seiten steil auf 1000 Meter auf, oben liegt der Svartisengletscher in der Sonne. Keine Siedlung, keine Straße, nicht einmal ein einzelnes Haus stehen an den Ufern dieses Fjordes. Obwohl wir schon einige hundert Meilen norwegische Küste achteraus haben, verschlägt es doch beim morgendlichen Aufstehen so manchem die Sprache angesichts der gewaltigen Bilder um uns her. Ab 9.00 Uhr tuckern wir langsam fjordeinwärts, vorbei an Seehunden oder Ottern, an den Hängen sind hin und wieder Adler zu sehen. Im Innersten des Fjordes: Ein Kreuzfahrschiff. Obwohl dieser Fjord in keinem Reiseführer Erwähnung findet, ist er natürlich kein Geheimnis und ein kundiger Blick auf die Karte verrät, dass hier besonderes zu sehen sein wird. Es ist auch ein besonderes Kreuzfahrtschiff. Die Explorer fährt mit nur 100 Gästen (Expeditionsteilnehmern) von hier weiter nach Spitzbergen und in die kanadische Arktis. Zunächst aber nehmen sie einige von uns in ihren Beibooten mit, damit sie die Petrine vor dem Panorama des Nordfjordes fotografieren können. Wir haben die Maschine gestoppt und lassen uns langsam aus dem Fjord treiben. Am späten Nachmittag machen wir uns auf den Weg zum Svartisen-Gletscher. Zunächst begleitet uns noch ein wenig die Sonne, dann trübt es sich langsam wieder ein. Um 21.20 machen wir im Holandsfjord fest, ganz in der Nähe eines Seitenarms des Svartisen.
7. Juni, Mittwoch
Heute ist Tag des Berges, des Gletschers und des Wanderns. Und für manche auch Tag des Ausschlafens. Berge und Eis hüllen sich teilweise in Wolken, aber man kriegt doch einen schönen Eindruck von den gewaltigen Eismassen, besonders, wenn man darauf zu geht. Das Eis sieht zunächst sehr nah aus, weicht aber bei Annäherung immer weiter zurück, um einen dann, in die Nähe gelangt, mit seinen riesigen Ausmaßen zu überraschen. Alle, die nicht bis zum Eis kommen, erfreuen sich an den Birkenwäldchen, die hier als Schaf- und Kuhweide genutzt werden, am Gletschersee und am eisgrünen Wasser des Fjordes, der sogenannten Gletschermilch. Wir bleiben bis abends an diesem schönen Platz. Dann tuckern wir zur Insel Bolga, wo ein ausgezeichneter Blick auf die Mitternachtssonne möglich ist.
Donnerstag, 8. Juni
Um 1.30 Uhr steigt die Sonne wieder, ohne den Horizont berührt zu haben. Das ist die Mitternachtssonne. Den Vormittag verbringen wir auf Bolga und gewöhnen uns an den Gedanken, bei Starkwind aus Südwest, Regen, Schauerböen, die letzten 40 Meilen nach Bodö in Angriff zu nehmen. Ab mittags stürmen wir mit Fock und gerefftem Groß nach Nordosten. Die Silouetten der Inseln und Berge sehen auch hinter Regenfetzen und Nebelschwaden sehr eindrucksvoll aus. Schauerwolken brechen sich an den Berggipfeln wie Wellen am Strand. Dass solch schrecklich-schöne Landschaft auch entsprechende meteorologische Phänomene produzieren kann, sollen wir heute noch lernen. Gegen 15.00 Uhr fegen wir mit über 8 Knoten um das Vorgebirge von Stött. Wir nehmen die Fock weg, Geschwindigkeit bleibt. Der Kapeffekt verstärkt den Südwest hier zum Sturm. Um 15.15 Uhr fällt uns das Raubtier an. Ein nie zuvor gehörter heulender Basston in den Wanten, das Schiff ruckt zur Seite und alle an Deck halten sich an irgendetwas fest, um nicht fortgeweht zu werden. Danach wieder Ruhe. Was war das? Warum ist der Mast nicht gebrochen? Dann erneut das Heulen, tiefer als alles, was ich zuvor gehört habe. Wieder geht ein Ruck durchs ganze Schiff. Wieder bleibt der Mast wunderbarerweise stehen. Fallböen vom Vorgebirge vereinigen sich mit dem Sturm, der zwischen den Bergen durchpfeift. Ich denke an ein Gewitter vor vielen Jahren, als wenige Seemeilen von uns entfernt ein Fischkutter von einer Bö zum Kentern gebracht wurde. Also runter mit dem gerefften Großsegel! Das Segel liegt schon komplett an Deck, da reisst das Raubtier es uns wieder aus den Händen. 8 Leute sind nicht in der Lage, das zusammengerollte Segel in einer Böe festzuhalten. Als schließlich alles geborgen und angebunden ist, können wir uns die Wasserhosen ringsumher genauer ansehen. Da steigen richtige Figuren von Gischt aus dem Wasser auf und tanzen über den Fjord. Ohne Segel machen wir 5 Knoten Fahrt und bleiben sogar steuerfähig zwischen den Schären. Nach einer Stunde trauen wir uns in respektvoller Entfernung vom Vorgebirge bei Stött, die gereffte Fock zu setzen. Mehr wird heute nicht mehr hochgezogen. Um 19.15 Uhr machen wir an einem maroden Holzsteg in Söranöya fest. Es stürmt, es regnet, unter Deck läuft die Heizung. Der Mast steht noch.
Freitag, 9. Juni
Letzte Etappe nach Bodö, noch 15 Seemeilen. Starkwind aus Südwest, Regen, Schauerböen. Kein Vorgebirge in der Nähe, wir setzen gerefftes Groß und gereffte Fock. Nach gut 2 Stunden segeln wir in den Hafen von Bodö. Die erste Etappe des Nordlandtörns ist zuende, heute und morgen gehen alle wohlbehalten und gesund von Bord. Wir hatten Tage mit Sonnenschein und widrigem Wind, wir hatten Tage mit Regen und Südwest, der uns wunderbar vorwärtsgeweht hat. Sonnenschein und günstiger Wind ist an der norwegischen Küste auf Nordkurs wohl nicht zu haben.
Samstag, 10. Juni
Morgens um 6.00 Uhr fahren die meisten sturm-, regen- und schaukelerprobten, aber auch sonnenbeschienenen Norwegensegler zum Flughafen.