Petrine -(fast) eine Fernbeziehung
1989 war ein historisches Jahr! Noch vor dem Zusammenbruch der DDR im Spätherbst, gingen im frühen Herbst fünfzehn Bildungsurlauber aus Nordrhein-Westfalen in Kappeln an Bord des alten See-Ewers Petrine. Skipper Hartwig Schröder, stilecht mit schwarzem Bart und dunkelblauem Colani nahm die Gruppe in Empfang. Das erste Umweltbildungsseminar auf der Petrine begann. Auch für Schiff und Skipper ein Novum!
Deutschlands bekanntester Weltumsegler Wilfried Erdmann schildert in seinem Buch „Mein grenzenloses Seestück“ (Kiepenheuer & Witsch 1991), in dem er seine Reise mit einer hölzernen Jolle durch die neu zugänglichen Küsten und Seen Mecklenburg- Vorpommerns beschreibt, wie er die Petrine im Sommer 1990 erlebt hat: „…Hartwig, ein Freund, winkt mich längsseits seiner PETRINE, einer 25m langen Barke, mit der er Charter fährt. Mit professionellem Ösfaß und Schwamm schöpfe ich mein Boot leer, derweil kocht Hartwig mit lässiger Eleganz unter Deck einen Kaffee in seiner Ikea- Küche, der mich sicherlich bis Mecklenburg wachhalten wird. Seine Gäste sind zu einem Schwatz aufgelegt. Sie kommen aus München und lieben die alte PETRINE mit ihren Vorzügen und Fehlern. Lieben die Küste und das Arbeiten mit Gaien, Gaffeln und Teer…“ Soweit Wilfried Erdmann 1990.
Ich hatte 1989 die Petrine über Tipps von Bekannten gefunden und sie schien mir der ideale Ort für die Umsetzung meiner Idee, Umweltbildung auf der Ostsee anzubieten. Wo läßt sich die enge Wechselbeziehung zwischen Mensch und Natur besser erleben, als auf einem alten Traditionssegler, auf dem jeder (r) seinen Beitrag zum Gelingen der Fahrt leisten muss?
Jedenfalls war die Resonanz auf dieses erste Bildungsurlaubsseminar so überwältigend, dass ich für 1990 mit einer deutlich größeren Zahl an Seminaren fachkundige Teamer benötigte. Da empfahl mir meine Frau Jochen Storbeck, damals aktiv bei den Grünen in Lippe.
So begann Jochens Beziehung zur Petrine und für mich wurde Petrine immer mehr zu einer Fernbeziehung. Parallel zu den Seminaren auf der Ostsee mit Petrine, baute ich Umweltseminare mit dem Klipper Risdam im niederländischen Wattenmeer auf. Längst gab es einen Kreis von Teamerinnen und Teamern, die die Bildungskonzepte erarbeiteten und umsetzten. Die große Nachfrage und anderen Aufgaben in meiner Bildungseinrichtung ließen mich nur noch selten an Bord der Petrine kommen.
Es folgte der nächste Schritt. Jochen Storbeck entschloss sich im November 1991 Hartwig die Petrine abzukaufen und sie zukünftig selbst als Skipper und Eigner zu betreiben.
An einem kalten Februarabend 1992 gründeten wir zu seiner Unterstützung im dänischen Rudköbing im Hotel „Am Hafen“ gegenüber dem Liegeplatz der Petrine das Bildungswerk Mensch und Meer, das fortan die Petrine als Umweltbildungsschiff betreiben sollte.
Meine Frau und ich segeln selber aktiv mit einem eigenen Boot. So kamen die großen Sommertouren der Petrine für uns beide nicht in Frage, da wir in den Monaten auf unserem Boot unterwegs sein wollten.
Zwei Begegnungen sind mir aber noch in lebendiger Erinnerung: 2015, auf unserem Rückweg aus den Stockholmer Schären, konnten wir die Leinen annehmen, als die Petrine in Karlskrona Station machte.
Und vor der Jahreshauptversammlung des Bildungswerkes Mensch und Meer 2016 in Stralsund, besuchte ich Familie Storbeck auf Hiddensee, um Jochen am nächsten Morgen zu helfen, die Petrine nach Stralsund zu bringen. Endlich konnte ich an diesem kühlen und windigen Morgen dem typischen Petrinesound lauschen und mit Jochens fachlichem Rat Petrine durch das enge Fahrwasser Richtung Stralsund steuern, ein wunderbares Erlebnis….
Von den 111 Jahren, die Petrine inzwischen im Kielwasser liegen hat, sind immerhin auch seid 31 Jahre eine vierstellige Zahl von Bildungsurlaubsteilnehmern von Arbeit und Leben Bielefeld dabei und viele von ihnen haben eine langfristige Beziehung zu ihr aufgebaut.
Ich wünsche der Petrine, dem Skipper, der sie so behutsam erneuert und so ruhig und bedächtig durch Sturm und Flaute gesteuert hat sowie den wechselnden Crews und FÖJlern weiterhin glückliche Tage auf einem glücklichen Schiff!
Claus Sobott, im Juni 2020