Fjorde und Schären (04.06.2000 – 25.06.2000)
Freitag, 2. Juni
Die Petrine liegt abfahrbereit und komplett bebunkert für viele Wochen in Skagen. Am morgigen Samstag kommt die Crew für die erste Etappe an Bord. Der Wetterbericht verspricht Ostwind für die kommende Woche. Wir werden Sonntagmorgen früh auslaufen und versuchen, in einem Rutsch bis in die westnorwegischen Fjorde zu segeln.
Samstag, 3. Juni
Die Crew ist an Bord und genießt die nächtliche Athmosphäre in Skagen. Nachtathmosphäre in Skagen
Sonntag, 4. Juni
Mit gut ausgeschlafener Crew legt Petrine um 9.30 Uhr in Skagen ab. Bei Wind aus Nordost segeln wir westwärts übers Skagerrak.
Montag, 5. Juni
Sonnenaufgang um 04.30 Uhr Wir laufen unter vollen Segeln die südnorwegische Küste entlang. Petrine segelt 9.00 Uhr Kap Lindesnes (Südspitze Norwegen) Steuerbord querab.
Nachmittags schläft der frische Ostwind ein. Zum Einklarieren und zur Paßkontrolle legen wir um 23.30 Uhr in Egersund an.
Dienstag, 6. Juni
Um 11.00 Uhr legen wir in Egersund ab. Segelversuche scheitern mangels Wind. Wir motoren durch Nieselregen bis wir um 22.00 Uhr auf Utsira festmachen. Wir hoffen, dass morgen der angekündigte Westwind einsetzt.
Mittwoch, 7. Juni
Wir liegen im idyllischen Hafen von Utsira. Petrine im Hafen von Utsira Eine Insel, die mehr Vogelarten als Einwohner beherbergt (1995 immerhin 238 Insulaner).
Donnerstag, 8. Juni
Um 3.30 Uhr morgens ist die Petrine fest in Bergen. Die ganze Nacht ist es nicht richtig dunkel geworden. In Bergen liegen 3 große Segelschiffe: Staadsrad Lehmkuhl, Christian Radich und Sörlandet. Eine Vollversammlung der norwegischen Windjammer. Norwegische Windjammer in Bergen
Nach Stadtbesichtigung Bergen von oben und Einkäufen legen wir um 13.00 Uhr ab mit Ziel Florö. Um 16.00 Uhr haben wir ein wenig Wind und freies Wasser zum Segeln. Unter vollen Segeln laufen wir mit 3 Knoten nordwärts. Der Wind ist also nicht so dolle, dafür scheint die Sonne… Und oben auf dem Fjell liegt Schnee.
Kurz vor Mitternacht machen wir an einer kleinen Schäre fest. Die untergegangene Sonne hat eine senkrechte rote Feuersäule an den nördlichen Himmel gezaubert. Ungewöhnlicher Sonnenuntergang kurz vor Mitternacht Wir steigen auf einen kleinen Berg und können uns lange nicht von dem Anblick losreißen. Wir sind im Hohen Norden! Morgenlicht um 01.30 Uhr
Freitag, 9. Juni
5.30 Uhr, Südostwind Stärke 4. Ablegen, Segel hoch, durch den Schärengürtel geht es nordwärts Richtung Florø. Wir laufen bis zu 8 Knoten, im Osten schneebedeckte Berge. Noch vor Mittag werden wir in Florø festmachen.
Von Florø segeln wir um 14.00 Uhr nordwärts durch die durch Schären und Fjorde in Richtung Stattland. Zum ersten Mal haben wir zu beiden Seiten des Schiffes fast 1000 Meter hohe Berge. Pralle Sonne und Südwestwind. Nachmittags lässt der Wind nach und um Mitternacht umrunden wir unter vollen Segeln das berüchtigte und – bei anderen Wetterverhältnissen – auch gefährliche Kap Stattlandet.
Samstag, 10. Juni
Morgens schläft der Wind ein und es fängt an zu regnen. Um 8.00 Uhr fest in Ålesund. Im Hafen von Ålesund Besichtigung der schönsten Stadt Norwegens, nachmittags gehts weiter in den Romsdalfjord nach Åndalsnes. Heute regnet es in Strömen.
18.00 Uhr Die Sonne scheint und es weht kräftiger Südwest. Sturmwetter in Ålesund Wir legen ab und segeln Richtung Romsdalfjord, wo wir am folgenden
Pfingstsonntag, 11. Juni
8.00 Uhr festmachen in Åndalsnes.
Ein Troll Fast alle nutzen den Tag für eine lange Wanderung auf den Trollstigen. In 900 Meter Höhe liegt hier noch reichlich Schnee. Dank der Sonne ist es schön warm und wir genießen die atemberaubende Fernsicht. Blick vom Trollstigen in das Isterdalen Ein toller Tag im Hochgebirge! Stigfossen
Pfingstmontag, 12. Juni
Zum ersten Mal müssen wir die Segel reffen, was uns zum Glück noch rechtzeitig gelingt. Zur Vermeidung der Felsen segeln wir auf offene See hinaus und zeitweilig gehts mit über 9 Knoten durch die Hustadvika gen Nordosten. Es weht mit 7 Windstärken, regnet immer wieder zwischendurch, wir kommen sehr zügig voran. Leider müssen wir um 15.00 Uhr in Kristiansund anlegen, um Diesel zu bunkern.
Von Kristiansund segeln wir abends weiter, immer noch bei starkem Südwest, mit bis zu 9 Knoten bei gerefften Segeln.
Dienstag, 13. Juni
Ein Tag in der Wetterküche. Nachts kreuzen wir bei leichtem Wind und kommen kaum vorwärts. Dann ein Stündchen Maschine wegen Totalflaute. Dann Wind! Eine Stunde später reffen, mit 9 Knoten bei stürmischem Wind, schlechter Sicht und waagerechtem Regen flitzen wir um die Felsen. Nachmittags liegen alle in der Sonne, Topsegel gesetzt, wir segeln langsam und gemütlich, Schären und Meer an Backbord, Fjorde und Berge an Steuerbord. Währenddessen fällt das Barometer um 2 mbar pro Stunde.
Abends laufen wir in 2 Meter hoher Welle, heftigen Hagelschauern, vor gerefftem Groß und Fock mit 8 Knoten auf Rörvik zu. Als wir um 23.00 Uhr dort festmachen weht es mit Sturmstärke und alle fallen sofort in ihre Kojen.
Heute haben wir gesehen, wie es dort zugeht, wo das Wetter gemacht wird. In der Ostsee müssen wir meistens ausbaden, was hier in den Hohen Breiten zusammengebraut wird. Wir haben heute gelernt, wie es in der Wetterküche selbst zugeht. Und wir sind gut und sicher vorwärtsgekommen dabei.
Mittwoch, 14. Juni
Es stürmt. Wir liegen in Rørvik. Wir schlafen aus, verteiben uns die Zeit mit Musik Musik an Bord und Brotbacken. Brot aus der Bordküche Machen gelegentlich eine Spaziergang und stellen dabei fest: Gut, dass wir heute liegen.
Donnerstag, 15. Juni
Um 4.00 Uhr los in Rørvik. Um 9.00 Uhr hört für kurze Zeit der Regen auf. Immerhin kommen wir gut vorwärts. Nachmittags klart es auf, wir sehen einen Berg mit einem Loch in der Mitte Der Berg mit dem Loch … und 7 Schwestern, 7 nahezu gleich aussehende Berge in einer Reihe, 1000 Meter hoch, die zerfurchten Hänge bis in die Täler mit Schnee bedeckt, die Häupter diskret in Wolken gehüllt. Abends dreht der Wind auf Nord und wir motoren noch 2 Stunden, bis wir an einem kleinen verlassenen Anleger in der Nähe von Sandnessjøen festmachen. Die Sauna wird geheizt, um 23.00 Uhr kommt die Sonne nochmal durch, einige springen sogar ins Wasser.
Freitag, 16. Juni
Heute weht es aus Nord. Wir tuckern 4 Stunden zur Insel Lovunda hinüber. Wir sind nun schon ganz in der Nähe des Polarkreises. Zum ersten Mal sehen wir Schwertwale, im Hintergrund die schneebedeckten Berghänge, von der Sonne beschienen. Lovunda ist ein Traum. 2 km Durchmesser, 620 Meter hoch, ein kleines Dorf, eine große Papageientaucherkolonie, viele Steinadler. Tierwelt auf Lovunda Und die Insellandschaft ringsum ist wie aus dem Märchenbuch mit schönen Blumen. Blumen auf Lovunda Wir beschließen, erstmal hierzubleiben. Unsere Angler sind zum ersten Mal richtig erfolgreich und wir essen Fisch bis zum Abwinken.
Wir sind jetzt auf 66°22 Nord 12°22 Ost. Und haben gerade schon wieder eine ganze Orkafamilie vorbeiziehen sehen…
Samstag, 17. Juni
6.00 Uhr Los von Lovunda. Um 8.55 Uhr überqueren wir den Polarkreis östlich der Insel Nesøy! Ungerefft und von einer Schauerböe vorwärtsgejagt, sehr stilvoll. Auch die anschließende Polarkreistaufe Neptun und Tetris bei der Polarkreistaufe, der gesellschaftliche Höhepunkt unserer Fahrt, läuft zunächst sehr korrekt ab. Ekelige Sachen essen, eingeseift Rasur der Täuflinge und das Zertifikat und rasiert werden, schwierige Fragen beantworten, Fuß von Tetris küssen (Neptuns Frau). Dann aber kommt es zu Übergriffen von Täuflingen. Durch lange Seereise entwöhnt und enthemmt macht sich jemand deutlich oberhalb von Tetris Fuß zu schaffen! Der BH der Göttin weht aus samt Inhalt und wir meinen die bekannten Züge von Bootsmann Till zu erkennen…! Den nachfolgenden fällt der Fußkuss nnun um so schwerer!
Ansonsten klart es im Laufe des Tages auf, ab 15.00 Uhr sehen wir voraus die Südwestspitze der Lofoten im Sonnenschein. So bleibt es bis Mitternacht Die Lofoten in Sicht! und wir sehen zum ersten Mal das wunderschöne Schauspiel der Mitternachtssonne. Die schneebeckten Berge der Lofoten, die Felsmassive der Inseln Værøy und Røst werden in immer neues Licht getaucht und viele finden nach der Wache den Weg in die Koje nicht.
Sonntag, 18. Juni
3.00 Uhr morgens: Die Strudel des Moskenesstroms voraus! Die Stunde des Totwassers ist lange vorbei und ein auffrischender Süd peitscht uns erbarmungslos dem zischenden, gurgelnden, aufgewühlten Wasser entgegen … – bei Edgar Allan Poe („Die Fahrt in den Malstrom“) kann man nachlesen, was üblicherweise in solchem Fall passiert.
Wir sind durch rechtzeitiges Bergen der Topsegel so gerade noch davongekommen. Bald schlafen Wind und Strom ein, wir treiben mit 2 Knoten auf Moskenesøy zu und machen um 7.15 Uhr in Å fest.
Nach 14 Tagen Seereise und etwa 1000 Seemeilen sind wir auf den Lofoten angekommen!
Montag, 19. Juni
Ein Regentag in Reine. Wir liegen in Reine Manche Reiseführer behaupten, die schönste Landschaft in ganz Norwegen. Mag sein, wir sehen leider nicht viel davon. Abends fahren wir nach Nusfjord, wunderschönes kleines Fischerdörfchen zwischen senkrechten Felsen. Einige gehen im Regen spazieren, andere verholen sich in die Kneipe und werden um Mitternacht von der ganzen Kneipe mit Musik und Gesang zum Schiff geleitet.
Dienstag, 20. Juni
Roar Justad 3.00 Uhr Fest in Stamsund vor der Jugendherberge von Roar Justad. Für mich ein sehr besonderes Ereignis, denn von Roar habe ich vor 14 Jahren viel gelernt über den Umgang mit Gästen und die Sorge für deren Wohlbefinden. Einige nutzen den fast regenfreien Tag für Radtouren oder einen Ausflug ins Wikingermuseum von Borg. 18.30 los und Roar und seine Gäste begleiten uns vor den Hafen und fotografieren die Petrine mit gerefften Segeln in 2 bis 3 Meter hoher Welle vor der Kulisse der Lofoten. Schwere See Kurs Trollfjord.
Mittwoch, 21. Juni
Einfahrt Trollfjord um 01.30 Uhr 2.00 Uhr Fest an einem kleinen Anleger im berühmten Trollfjord. 800 Meter hohe senkrechte Wände, Schnee auf den Hängen bis zum Wasser runter, Regen in Strömen. 7.00 Uhr Wieder los, es regnet nicht! 8.00 Uhr setzen wir Segel in auffrischendem Südwest. Die Sonne kommt raus und wir machen zügige Fahrt unter vollen Segeln in Richtung Narvik.
Um 15.30 legen wir in Skarstad an. Hier wollen wir Mittsommer feiern. Abends machen wir ein Lagerfeuerchen mit Fisch und Fleisch und Salat und genießen die Mitternachtssonne am Ofotenfjord. Unser Mittsommerfest in Skarstad Sonne den ganzen Tag und die Nacht hindurch! Heute ist ja Mittsommernacht! Lieder um Mitternacht
Donnerstag, 22. Juni
Panorama zum Abschied aus Skarstad Nach spätem Frühstück um 9.30 los in Skarstad. Ab 11.00 kreuzen wir gegen frischen Ostwind in den Ofotenfjord auf Narvik zu. Nur noch 15 Seemeilen…
Da wir außerdem noch kräftigen Strom gegenan haben, schmeißen wir irgendwann den Motor an. Um nicht heute schon in Narvik anzukommen, fahren wir auf Verdacht in den Skjomen-Fjord. Und der entpuppt sich als letzter echter Höhepunkt dieser ersten Nordland-Etappe. Am Ende des Fjordes beinahe senkrechte Wände, ohne jede Vegetation, bis auf 1500 Meter und obendrauf der Frostisen-Gletscher. Das Ende des Skjomen-Fjords Richtig arktische Landschaft. Endlich können wir auch Segel setzen, denn es weht ein leichter Wind fjordauswärts. Kaum haben wir die Segel oben, da überfällt uns ein Fallwind vom Gletscher und wir zischen mit 9 einhalb Knoten durchs Gewässer. Das war ein katabatischer Wind! Katabatische Winde sind die stärksten Winde der Welt. Es sind kalte Fallwinde, die in der Antarktis mit bis zu 300 km/h wehen können und schon vor Anker liegende Schiffe zum Kentern gebracht haben! Wahr oder gelogen?
Freitag, 23. Juni
Um 01.00 Uhr Fest in Narvik. 15.50 Uhr: Die Heimreisenden verlassen uns mit dem Zug in Richtung Stockholm! Ende der ersten Tour – Abschied in Narvik Auf Wiedersehen, es war schön mit Euch. Paßt gut auf Euch auf: Zugreisen ist nicht ungefährlich.
In Narvik regnet es in Strömen. Ohne Unterbrechung.
Samstag, 24. Juni
Vormittags Lebensmittel einkaufen, mittags hört es auf zu regnen und wir erledigen Schiffsarbeiten. Ruderanlage, Wanten spannen, Klüvernetz nacharbeiten, Wäsche waschen und trocknen, Brot backen.
Die Stadt lockt uns nicht. Wer Narvik nicht gesehen hat, hat nix verpaßt.
Sonntag, 25. Juni
Vormittags Schiffsarbeiten bei immer noch trockenem Wetter. Um 12.30 Uhr kommen „die Neuen“ mit dem Zug.