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Ums Nordkap (25.06.2000 – 16.07.2000)

Sonntag, 25. Juni
13.00 Uhr Die Neuen treffen vollzählig und in gutem Zustand an Bord der Petrine ein. Mittagessen, Vorstellungsrunde, Sicherheitseinteilung, Wacheinteilung.
18.00 Uhr Los in Narvik, Ziel: die Lofoten. 21.00 Uhr Maschine aus, leichter Ostwind, wir segeln im nächtlichen Mitternachtssonnenschein in den Vestfjord hinaus zu den Lofoten. Welch schöner Einstand für den Nordkap-Törn!

Montag, 26. Juni
10.30 Uhr Fest in Hennigsvær bei strahlender Sonne. So bleibt es während des ganzen Tages und wir schauen uns ein schönes, kleines Fischerdörfchen an. Stockfisch
16.00 Uhr Los. In der Flaute fangen unsere Angler reichlich Köhler und Dorsch. Das Abendessen ist gesichert, als wir um 21.00 Uhr in Svolvær festmachen.

Dienstag, 27. Juni
Ein regnerischer Tag in Svolvær, der größten Stadt auf den Lofoten. Am späten Nachmittag fahren wir unter Maschine zum Trollfjord. Mehr als genug Fische und Brennholz haben wir an Bord. Bis weit nach Mitternacht essen und singen wir am Lagerfeuer, begrüßen das Hurtigroutenschiff, freuen uns, dass es nicht regnet. Grillen im Trollfjord Um Mitternacht bescheint die Sonne die höchsten Berggipfel an der Südseite des Fjords. Dort liegt immernoch reichlich Schnee.

Mittwoch, 28. Juni
Mittags haben wir die Lofoten achteraus, die Vesterålen vorraus und keinen Wind in den Segeln. Gelangweilt werfen wir die Angeln außenbords und – holen kapitale Dorsche und Seelachse aus dem Wasser, bis 5 Kilo schwer, bis 80 cm lang, einen nach dem nächsten. Bald wird die Beschränkung der Angelei gefordert. Wer soll die ganzen Fische zubereiten, wer soll sie essen ? Braten, Dünsten, Einlegen oder Backfisch ? Um Streit zu vermeiden, hören wir schon bald wieder auf zu angeln und essen erstmal zu Mittag: Den übriggebliebenen Backfisch vom Lagerfeuer. Nach dem Essen wird stundenlang gesäubert und filetiert. Heute und Morgen ist Angelverbot!
17.00 Uhr Wind kommt auf. Wir segeln durch den Sortland Sund nach Norden.
Abends machen wir in Risøyhamn fast zum Wasserbunkern und segeln dann auf den Andfjord hinaus um Wale zu suchen. Die ganze Nacht stehen wir in der Flaute herum – und sehen keine Wale. Dafür kommen wieder reichlich Fische an Bord und ein Seehund wird gesichtet.

Donnerstag, 29. Juni
Morgens können wir ein paar Stündchen segeln, dann wieder Flaute. Wir machen an einem kleinen Anleger auf der großen Insel Senja fest. Angeln, spazierengehen, Kaffee trinken auf der Pier. Abends beschließen wir, nach Tromsø zu fahren.

Freitag, 30. Juni
12.00 Petrine fest in Tromsø, das Tor zur Arktis. Das Tor zur Arktis überrascht uns mit Sonnenschein und 15 Grad plus!
Wir buchen einen Flug über Spitzbergen, sehen, wie das Polarforschungsschiff Fram nicht in einer Eispressung zerquetscht wird, erzeugen mit einer einfachen Handkurbel einen Wasserwirbel, der bis auf den Grund des Meeres hinabreicht und wohl nachholen könnte, was dem Moskenesstrom nicht gelang: Die Petrine für immer und ewig und ohne dass je eine Menschenseele davon erführe …
Dies alles erleben wir im Polaria-Erlebniszentrum in wohlgeheizten Räumen. Abends und nachts erleben wir dann verschiedene Norweger in verschiedenen, erstaunlichen Zuständen der Trunkenheit. Freitagabend in Tromsø. Mitternachtssonne.

Samstag, 1. Juli
Wir verlassen das sommersonnendurchflutete Tromsø, nachdem wir zwei Besatzungsmitglieder an Barbara und Christiane verloren haben, die nun mit ihrer Yacht zunächst hinter uns her und später am Abend weit vor uns her kreuzen. Wir treffen uns wieder!

Sonntag, 2. Juli
Um 1.00 Uhr machen beide Schiffe in strahlendem Mitternachtssonnenschein am Fuße der schneebedeckten Lyngsalpen fest. Ein kleiner, piepsender Austernfischer hüpft aufgeregt auf der Pier umher, als ob er hier der Hafenmeister wäre und das Anlegen verbieten wollte. Beim Festmachen entdecken wir sein Nest mit zwei Eiern auf einem Poller. Wir nehmen Rücksicht und suchen uns einen anderen Liegeplatz.
Mittags legen wir ab und tuckern ein wenig gegen den Nordostwind, bevor wir an der Nordspitze der Lyngen-Halbinsel anfangen zu kreuzen. Damit komme ich zu unserem derzeitigen Problem: Die letzten Tage war Nordostwind, heute ist Nordostwind, morgen soll Nordostwind sein, der mittelfristige Wetterbericht verspricht Nordostwind und das Handbuch sagt, wenn einmal Nordostwind ist, bleibt es manchmal wochenlang so. Und wir können das garnicht gebrauchen!
Spät abends werfen wir die Maschine an und tuckern zum Øksfjordgletscher, der direkt ins Meer kalbt. Wieder strahlende Mitternachtssonne. Das ist das Gute am Nordostwind.

Montag, 3. Juli
2.30 Uhr Vor Anker beim Øksfjordgletscher. Angeln, Beiboot zu Wasser. Die Landerkundung in dieser arktischen Umgebung ist unbeschreiblich schön. Einige vergessen die Welt um sich herum. Vor allem vergessen sie Ebbe und Flut und so treibt mittags das Beiboot ohne Besatzung an der Petrine vorbei. Eilig holen wir 100 Meter Ankerkette ein (die Fjorde sind tief), bergen das Beiboot, bergen die Landausflügler und machen Fotos von Petrine vor dem Gletscherabbruch. Leider im Regen, der ganz plötzlich auf uns niederprasselt aus zuvor so heiterem Himmel.
17.00 Uhr Ziellos tuckern wir nach Nordosten, suchen den günstigen Wind wie der Wüstenwanderer das Wasser.
21.00 Uhr Fest auf Loppa. Wir müssen nochmal den Fähranleger verlassen und ein halbes Stündchen vor dem Hafen ankern. In dieser Zeit fangen wir genug Dorsche für 2 Mahlzeiten und dürfen dann ab 21.30 Uhr ungestört von der Fähre auf Loppa liegenbleiben. Ein Inselbewohner bringt uns zur Begrüßung einen Räucherlachs und erzählt Geschichten bis spät in die Nacht.

Dienstag, 4. Juli
Einige erkunden die Insel zu Fuß , andere die Fischgründe mit dem Beiboot.
12.00 Uhr. Wind! Wir segeln sofort los, erstmals seit Tagen vor dem Wind. Leider hat uns nach ein paar Stunden die Flaute wieder und wir gehen um 19.30 Uhr in einem wunderschönen Fjord bei der Insel Seiland vor Anker. Die Sauna wird geheizt! Jetzt kümmern uns 8 Grad Wassertemperatur, 10 Grad Lufttemperatur und der Nieselregen kaum noch. Schlimmer ist da schon, dass der schöne Ausblick auf 1000 Meter hohe Berge und Gletscher und Flußläufe und Schneefelder sich eintrübt.

Mittwoch, 5. Juli
Westwind! Wir gehen sofort Anker auf, planen die Nordkapumrundung für die kommende Nacht – nur noch 70 Seemeilen. Auf der Höhe von Hammerfest verlässt uns der Wind wieder und wir machen erstmal um 14.00 Uhr fest in Hammerfest. Einkaufen, Gas, Wasser, Lebensmittel besorgen. Um 18.00 Uhr gehts weiter. Wie im Fluge segeln wir vor dem Wind mit bis zu 9 Knoten bis Havøysund.

Donnerstag, 6. Juli
Ab Mitternacht kreuzen wir westlich der Nordkapinsel Magerøy nach Norden auf. Wir wollen unsere Nordkap-Umsegelung nicht durch Benutzung der Maschine entweihen. Belohnt werden wir um 5 Uhr morgens. Bei der Insel Storstappen können wir endlich auf Kurs gehen. Hier tobt das Leben: Papageientaucher, Baßtölpel, Lummen, alle Arten Möwen, alles fliegt um uns herum und stürzt sich in die Wellen. Sie stören sich kein bischen an unserer Anwesenheit, scheinen im Freßrausch zu sein, tauchen direkt neben dem Schiff.
Das Echolot zeigt Unmengen von Fisch an. Na, wir haben heute keine Zeit zum Angeln. Um 7.50 Uhr passieren wir Knivskellodden, den nördlichsten Punkt Europas.
Wir fallen ab, Kurs Nordkap. Es liegt weder im Nebel, noch in den Wolken! Ein 300 Meter hoher senkrechter Felsen, sehr beeindruckend. Wir lassen das Nebelhorn 3 mal tuten, als wir um 8.15 Uhr unter Groß, Besan, Fock, Klüver und Flieger, bei Nordwind Stärke 3 bis 4 und chaotischer Welle mit 4 Knoten vorbeisegeln. Anschließend gibt es frischgebackene Nordkapbrötchen für alle, die bei diesem Seegang was essen mögen.
Nachmittags um 14.00 Uhr passieren wir das Nordkinn, die nördlichste Stelle Festlandeuropas und machen um 18.10 Uhr in Gamvik fest, dem nördlichsten Festlandshafen der Welt. Ankunft in Gamvik Liegeplatz in Gamvik Im Fischereihafen von Gamvik

71 Grad Nord. Wir sind erschöpft und glücklich. Erholung unter Deck und an Land

Freitag, 7. Juli
Der Wetterdienst sagt, der heutige Nordwestwind bleibt nicht lange, danach weht es wieder tagelang aus Osten. Wir können nicht so lange in diesem kleinen, freundlichen Städtchen bleiben, wie wir wollen. Aber zunächst machen wir noch ein bischen „open ship“ für die freundlichen, hilfsbereiten Menschen hier, dann schauen wir uns den Leuchtturm an, den nördlichsten der Welt, natürlich, und mit 50 Meter beeindruckend hoch. Um 14.00 Uhr solls weitergehen… Wir verlassen Gamvik
Es gibt eine tolle, stürmische Überfahrt mit bis zu 9 Knoten, Mitternachtssonne und die ganze Zeit in Sichtweite der Varanger-Halbinsel. Ein bischen schade, hier so schnell vorbeizusegeln, aber das Wetter entscheidet. So freuen wir uns an den kahlen Felsen, brandungsumtost und schneebedeckt. Und wir freuen uns an der warmen Sonne während der „Nacht“stunden.

Samstag, 8. Juli
Alle Angelversuche vor dem Hafen bleiben erfolglos. Also machen wir um 3.00 Uhr Fest in Vardø, dem norwegischen Ostkap (so weit östlich wie Istanbul). Am nächsten Tag erfahren wir, dass dieses Jahr in Vardø das bislang schlechteste Dorschjahr ist. Östlich vom Nordkap kein Dorsch! Wir trösten uns mit Steinbeißer und Hummer. Heute scheint den ganzen Tag die Sonne! Unglaubliche 15 Grad!
Ausruhen, Essen, Wäschewaschen. Abends wandern einige über das arktische Fjell, andere wandern in die örtlichen Kneipen.

Sonntag, 9. Juli
Regen, 4 Grad plus, strammer Ostwind. Um 16.00 Uhr verholen wir uns von Vardø nach Svartnes auf der Festlandseite und heizen die Sauna. Anschließend Kartenspielen, Lesen, Musik.

Montag, 10. Juli
Dichter Nebel. Trotzdem gehts um 9.00 Uhr los. Vor dem Hafen kein Wind, dafür 2 Meter Welle. Üble Sache. 11.00 Uhr Fest in Kiberg im Varangerfjord. Jetzt scheint die Sonne, es ist wunderbar warm. Alle haben hitzefrei und laufen durch die Stadt und in die Landschaft hinaus.
15.30 Uhr Los in Kiberg. Nach der Sonne nun der Nebel. Trotzdem weht ein flotter Wind, später klart es auf, wir passieren einen Vogelfelsen. Immer wieder sind wir erstaunt, wieviele Vögel an einer Felswand nisten können. Von weitem ist es nicht so spektakulär, aber mit dem Fernglas sieht es dann aus wie ein voll besetztes Fußballstadion. Und ein Krach!
Mitternacht Fest in Vadsö.

Dienstag, 11. Juli
Nach diversen Erledigungen und einer kleinen improvisierten Pressekonferenz auf der Pier legen wir um 15.30 Uhr ab. Gemütlich segeln wir südwärts über den Varangerfjord und gehen um 20.00 Uhr an einem traumhaften Platz zwischen hohen Felsen vor Anker. Petrine allein
Einige wandern aufs Fjell, ein paar schwimmen eine Runde, alle freuen sich an der Gitarrenmusik und an der Mitternachtssonne. Plötzlich tauchen ein paar Trolle auf … Trolle

Mittwoch, 12. Juli
Wenn wir auch eigentlich nicht hier wegwollen, so zwingt uns am Nachmittag ein böiger Wind dazu. Wir finden 2 Stunden später wieder ein schönes Plätzchen. Diesmal mit Vogelfelsen und Rentieren, die uns neugierig beäugen. Wandern (Luft 20 Grad, unglaublich), schwimmen (Wasser 14 Grad), Essen und Trinken, es ist fast wie im Urlaub!

Donnerstag, 13. Juli
14.30 Uhr Anker auf, Kurs Kirkenes.
18.00 Uhr Fest in Kirkenes zum Wasserbunkern und Proviantieren für die heutige Abschlußparty mit Grill und Lagerfeuer. Es begrüßen uns viele Schaulustige, die Lokalpresse (das sind wir jetzt schon gewohnt), und vor allem Mikhail Tigushkin, unser Dolmetscher, Reisebegleiter und Freund aus Karelien. Er ist mit einer französischen Jacht von St. Petersburg durch den Weißmeerkanal hierhergekommen. Ihr größtes Problem war die Flaute in der Barentsee. Im Kanal hat alles bestens geklappt. So soll es bei uns auch klappen!
Aber erstmal legen wir wieder ab und suchen uns einen schönes einsames Plätzchen zwischen den Felsen. Letzter Abend für 7 Heimreisende…

Freitag, 14. Juli
4.30 Uhr Die Letzten sind gerade mal ein Stündchen in der Koje, da vertreibt uns ein auflandiger Wind von unserem Lagerfeuerplatz in den Schären. Schnell den Heckanker hochkurbeln, zurück gehts nach Kirkenes.
5.30 Uhr Fest in Kirkenes. Die Sonne scheint, alle sind gut gelaunt, keine Mücken hier. (gestern Abend hatten wir so unglaublich viele Mücken am Feuer… heute werden sich alle Schutzkleidung besorgen, freut Euch auf die Fotos). Um 6.00 Uhr ist das Frühstück fertig, anschließend wirds Schiff geschrubbt, mittags verlassen uns die 7 Heimreisenden mit 2 Mietwagen Richtung Finnland. Sie sehen gut erholt aus, vor allem wegen der letzten Tage, die doch wohltuend ruhig waren.
Die Weiterreisenden geniessen die pralle Sonne, 24 Grad im Schatten wird morgen auf der Titelseite der Zeitung stehen.
Abends Sauna mit Abkühlbecken vor Mitternachtssonne. Bis 2 Uhr morgens. Arme Heimgereiste…

Samstag, 15. Juli
Der heutige Tag versucht, die Hitzerekorde des gestrigen zu brechen. Wir erledigen so dies und jenes, die Waschmaschine läuft pausenlos, wir warten auf die Neuen.
Mikhail ist bereits an Bord und wenn ich ihn so reden höre, weiß ich garnicht, wo die Schwierigkeiten einer solchen Kanalpassage durch Rußland liegen sollen. Er ist gerade mit einer Gruppe norwegischer Jachten von St. Petersburg hierhergesegelt. Keine Probleme im Kanal. Allerdings müssen wir am Montag Murmansk anlaufen, um dort einzuklarieren. Das bedeutet 100 Seemeilen extra, die ich gern vermieden hätte. Sei´s drum, so lernen wir eben Murmansk kennen, nördlichste Großstadt der Welt.

Über den Autor
Jochen Storbeck segelt seid 1991 mit der Petrine