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Von London nach Brest

Sonntag, 29. Juni 2008

London, St. Katherine´s Dock. Alle Mitsegler für den Törn von London nach Brest sind an Bord, Sicherheitseinweisung und Wacheinteilung sind erfolgt. Um 10.30 werden wir ausgedockt und fahren auf der Themse nach Greenwich. Dort genießen wir einen schönen Sonntag im Park und in den Museen, bevor uns das Endspiel der Fußball-EM einen Dämpfer verpasst. Um 23.00 legen wir ab und fahren flußabwärts auf der Themse.

Montag, 30. Juni

Entlang der Themse gibt es beidseitig allerhand Lichter, die allerdings mit der Seefahrt meist nicht viel zu tun haben. Dort, wo man sich Lichter wünschen würde, auf den Mooringbojen oder auf vor Anker liegenden Leichtern, da fehlen sie meistens. Schön aufmerksam fahren wir, von anderen Schiffen unbehelligt, der Nordsee entgegen. Um 3.30 haben wir die Themsemündung erreicht und gehen auf einer Reede vor Anker. Wir warten auf Tageslicht und das Wiedereinsetzen des Ebbstromes. Um 10.30 setzen wir Segel, aber mit dem Kentern der Tide schläft der Wind ein. So motoren wir mit Kurs Ost aus den Sandbänken der Themsemündung heraus. Nachmittags weht dann ein zunächst angenehmer, dann zunehmend heftiger Südwind um das Kap von North Foreland herum. Wir kreuzen tapfer gegenan, aber Seegang und Sandbänke machen es gegen Abend notwendig, den Hafen von Ramsgate anzulaufen.  Dort machen wir um 19.00 fest und verholen uns wenige Stunden später in die Pubs des Städtchens.

Dienstag, 1. Juli

Heute scheint die Sonne aus einem wolkenlosen Himmel. Vormittags bummeln wir durch Ramsgate, spielen am Strand, Proviantieren das Schiff oder erholen uns. Um 13.00 legen wir ab und fahren südwärts zu den Klippen von Dover. Diese schimmern schön weiß im Gegenlicht, kaum ein Wölkchen ist zu sehen. Dazu weht ein sanfter Südostwind, der abends auf ganz respektable Stärke zunimmt. So segeln wir sehr bequem westwärts durch die Nacht entlang der englischen Südküste und kommen gut voran.

Mittwoch, 2. Juli

Nach Mitternacht ist es vorbei mit dem günstigen Wind und wir passieren unter Maschine Beachy Head. Um 7.30 machen wir in der Marina von Brighton fest. 1500 Liegeplätze gibt es hier, eine größere Marina hat die Petrine nie gesehen. Platz zum Anlegen muss jedoch erst geschaffen werden, denn die Marina ist natürlich ganz auf Jachten eingestellt. Hier gibt es jeden erdenklichen Service, Läden, Restaurants, Bars, Hotels etc. Was es nicht gibt sind Gemütlichkeit und ein noch so kleiner Kinderspielplatz. So fahren wir mittags weiter, bei Nieselregen und schwachem Gegenwind, mit knatternder Maschine, der Isle of Wight entgegen. Am Nachmittag wird es dann doch noch ein schöner Segeltag. Die Sonne strahlt, Kuchen ist gebacken, ein moderater Südwind bringt uns in eine schöne Bucht an der Ostküste der Isle of Wight. Um 21.00 fällt bei wunderschönem Abendlicht der Anker auf den Strand von Bembridge Point. In der lauen Abendluft bleibt es noch lange gesellig an Deck.

Donnerstag, 3. Juli

Morgens um 3.00 wird es schon wieder gesellig an Deck. Das Knallen der Mooringleine hat einige aufgeschreckt. Die neue Lage: Der Ebbstrom hat Petrine am Rande eines tiefen Prieles festgesetzt. Nach einer halben Stunde haben wir eine beängstigende Schräglage und nach einer weiteren halben Stunde können wir an Backbord direkt in den Sand springen. An Steuerbord ist das Wasser noch 3 Meter tief. Und das Wasser läuft weiter ab. Eine ganz missliche Lage. So könnte man in einer windstillen, sternenklaren Nacht das Schiff verlieren. So weit kommt es aber nicht. Petrine krallt sich auf der Sandkante fest, ab 6.00 kommt langsam das Wasser zurück, ab 8.00 wagen sich einige Artisten an das Frühstück und um 8.30 schwimmen wir wieder. Glück gehabt!
Bembridge Town erfreut das Auge mit schönen Häuschen und blühenden Gärten im Sonnenschein, das versöhnt uns wieder mit dem Tag. Mittags segeln wir auf den Solent hinaus, der Wasserstraße zwischen der Isle of Wright und den Hafenstädten Southampton und Portsmouth. Hier tummeln sich bei starkem Wind hunderte von Schiffchen, es finden mehrere Regatten statt. Und wir ganz sportlich mittenmang. Den ganzen Nachmittag kreuzen wir mit gerefften Segeln gegen 6 Windstärken Westwind. Je besser es klappt, desto mehr Spaß dabei, desto vertrauter wird die ganze Mannschaft mit dem Schiff. Der sonnige, muntere Solent, der uns gelegentlich mal einen Eimer Gischt an Deck spritzt, ist genau das richtige Gebiet dafür. Um 17.00 gehen wir im Newtown River zu Anker. Eine ländliche Idylle mit Wäldern, Feldern, Marschlandschaft und einem kleinen grauen Dörfchen in der Ferne.

Freitag, 4. Juli

Der Newtown River zeigt sich am Morgen von seiner schönsten Seite. Weiße Reiher stehen am Ufer, die Marschen laufen langsam voll Wasser und einige von uns gehen in einem nahen Wald spazieren. Am späten Vormittag gehen wir Anker auf, fahren auf den heute ruhigen Solent hinaus und nehmen Kurs auf die Needles, eine bizarre Felsformation am Westkap der Isle of Wright. Die ruhige Szenerie ringsumher steht in scharfem Kontrast zu den Starkwindwarnungen, die alle paar Stunden neu herausgegeben werden: Südost bis Südwest, 6 bis 7, weiter westlich auch 8 bis 9 Beaufort. 12 Stunden brauchen wir bis zu den Kanalinseln im Süden und zunächst ist es ja noch ruhig, das Barometer steht stabil und wir können prima südwärts segeln. Also los. 7 bis 8 Knoten Fahrt machen wir mit frischem Südostwind und mitlaufendem Ebbstrom. Der gefürchtete Schiffsverkehr im Ärmelkanal macht anscheinend heute ein Päuschen für uns und so wird es feiner Segeltag. Spät abends beginnt dann das Barometer zu fallen und es gibt eine weitere Starkwindwarnung für das gebiet der Kanalinseln: Süd bis Südwest 7, expected soon. Also laufen wir nicht weiter bis Guernsey, sondern nehmen Kurs auf Alderney. Dabei müssen wir quer zum Gezeitenstrom laufen, dem „Alderney Race“, der mit bis zu 8 Knoten an der Insel vorbeiläuft.

Samstag, 5. Juli

Nach Mitternacht starten wir die Maschine und kämpfen uns die letzten 2 Meilen quer zum Strom in den großen Hafen von Braye auf Alderney, der nördlichsten, sehr ländlichen Kanalinsel. Um 1.00 gehen wir dort zu Anker. Morgens weht es dann auch heftig, man sieht hohe Wellen vor der Hafeneinfahrt und wir sind froh, den Kanal hinter uns gebracht zu haben. Zum Glück scheint die Sonne, genau richtig für einen Hafentag. Auch für Sonntag sagt der Wetterbericht Starkwind voraus, wir werden Alderney wohl ein paar Tage genießen. Schön ist es hier, aber schwierig ist der Landgang mit dem Beiboot und schwierig das Ankern im steinigen Hafen. Im 3. Versuch hält dann endlich der Anker.

Sonntag, 6. Juli

Heute stürmt es auf Alderney. Es ist unbequem auf dem schaukeligen Schiff, dennoch mag kaum jemand an Land gehen, denn obendrein regnet es. Wir backen: Sonnenblumenkernbrote, chiabattabrötchen mit Oliven, Nussecken. Und wir essen alles auf. Nachmittags stürmt es immernoch, aber die Sonne kommt durch. Abends wird die Sauna geheizt und weil wir inzwischen an einer Mooringboje festgemacht haben, gehen bals alle in die Kojen und schlafen.

Montag, 7. Juli

Es stürmt nicht mehr auf Alderney, aber es weht immer noch kräftig. Wenn es etwas abnimmt, wollen wir am frühen Nachmittag losfahren. Daraus wird aber nichts. Weder dreht der Wind, noch nimmt er ab. Wir liegen also noch einen dritten Tag und eine vierte Nacht auf Alderney. Üblicherweise haben solche Hafenliegetage ja auch Vorteile: Alle erholen sich, die Wäsche wird gewaschen, die Umgebung wird gründlich erkundet, Schiffsarbeiten können erledigt werden. Auf Alderney aber gestaltet sich alles schwierig bis unmöglich. Wir liegen nicht fest an einer Pier, wir liegen im äußeren Teil des Hafens vor Anker, denn eine andere Möglichkeit gibt es hier nicht (sagt der Hafenmeister). Das Schiff schaukelt wie auf hoher See, der Landgang mit Hilfe des Beiboots verlangt umfangreiche Vorbereitung und ist ein echtes Abenteuer. Wir haben natürlich weder Landstrom noch können wir Frischwasser bunkern. Täglich läuft 2 Stunden die Maschine zum Laden der Batterie. Aber alle diese Sorgen sind ganz erträglich, wenn man beim Landgang einen Blick auf die aufgewühlte See wirft. Da bleibt man doch gerne hier. Und heute erkunden auch alle stundenlang die schöne Insel, auf der man gern ein paar mehr Tage verbringt. Trotzdem hoffen wir auf günstigen Wind am Dienstag.

Dienstag, 8. Juli

Um 14.00 ist die Stunde des Stillwassers. Dann halten die kräftigen Gezeitenströme um Alderney, genannt The Race und The Swinge, für kurze Zeit den Atem an bevor sie wieder mit bis zu 8 Knoten zu brausen beginnen. Um 14.00 wollen wir also losfahren, kurz bevor der Ebbstrom nach Südwesten einsetzt. Der Wind hat auf West gedreht und wenn man genau schnuppert, könnte er auch etwas abgenommen haben. Wir kämpfen uns pünktlich zur Zeit des Stillwassers durch The Swinge. Dort treffen wir auf 3 Meter hohe Wellen, die sich freundlicherweise aber nicht brechen. Gerefftes Großsegel und gereffter Besan werden unter Mühen gesetzt, so werden Kurs und Schiff etwas stabiler. Wir können auf die südwestlich gelegene Insel Guernsey zulaufen und je näher wir der Insel kommen, desto ruhiger wird die Fahrt. Um 19.00 haben wir es geschafft, St.Peter Port, Haupthafen der Insel, liegt voraus. Leider bekommen wir keinen Liegeplatz und müssen südlich der Molen zu Anker gehen. Das Schiff schaukelt, aber es schaukelt immerhin schon etwas weniger als im Hafen von Alderney.

Mittwoch, 9. Juli

Zum Diesel- und Wasserbunkern dürfen wir morgens früh St.Peter Port anlaufen. Einmal im Hafen, bekommen wir Erlaubnis, bis 13.00 liegen zu bleiben. Unser Glück wird durch den Nieselregen nur unwesentlich getrübt: Endlich ein richtiger Liegeplatz mit unkompliziertem Landgang, endlich eine Stadt mit Läden, Cafes und Trubel. Um 13.00 sind trotzdem alle wieder an Bord. Kurs Südwest, nächster Hafen in der Bretagne!
Zunächst müssen wir aber wieder gegenanbolzen. Wind aus Südwest, Stärke 5, dazu 2 bis 3 Meter Welle. Schön ist das nicht. Nachmittags kommen wir noch einigermaßen voran, aber nach Einbruch der Dunkelheit und gegen den Flutstrom, der in die Bucht von St. Malo setzt, ist vorwärtskommen kaum noch möglich.

Donnerstag, 10. Juli

Nach Mitternacht ändert sich die Lage. Jetzt ist der Gezeitenstrom uns wieder wohl gesonnen. Dichter unter der Küste der Bretagne ist Petrine auch nicht mehr so sehr dem Seegang ausgesetzt. Morgens um 4.00 passieren wir in stockdunkler Nacht den Canal des Sept Iles, der die gleichnamige Inselgruppe vom Festland trennt. Mit gut 7 Knoten kommen wir nun vorwärts. Allerdings: Immer noch mit Maschine, immer noch weht uns der Wind stumpf ins Gesicht. Pünktlich zum Frühstück erreichen wir Roscoff. Hier sieht es schon so richtig wie in der Bretagne aus. Überall Felsen, die manchmal aus dem Wasser ragen, manchmal nur von ein wenig Brandung an der Oberfläche gekrönt werden, manchmal ganz im Wasser verborgen lauern. Das Land ist grün, mit kleinen steingrauen Häuschen getupfert. Die Stadt Roscoff lädt zum Landgang ein. Das tut uns allen gut. Nach dem Mittagessen geht es aber auch schon weiter. Durch den Canal de Ile de Batz nach Westen. Wir nutzen die günstige Tide und erreichen am frühen Abend L´Aber Wrach, eine Flussmündung vor dem Kap Finisterre, nur noch 40 Meilen von Brest entfernt.

Freitag, 11. Juli

Viele geschützte Häfen gibt es nicht an der Küste der Bretagne. L`Aber Wrach liegt etwa 5 Meilen flußaufwärts, ein nettes Örtchen gehört auch dazu. Vor allem aber erstaunt uns, was hier alles auf dem Wasser unterwegs ist. Gleich mehrere Jungendgruppen segeln mit Opties oder kleinen Katamaranen. Oder sie paddeln, rudern, tauchen. In dieser Gegend muss man das Segeln früh lernen, sonst wird es schwierig. Jenseits der Flußmündungen fängt sogleich der Atlantik an. Schönwettersegler kommen hier nicht weit, hier wird es schnell und häufig rauh. Wie wir an Bord der Petrine ja auch bereits erfahren haben…
Wir schauen uns das muntere Treiben eine Weile an, kaufen Lebensmittel ein, essen ein Crepes oder drei. Mittags geht es wieder raus auf den Atlantik. Nordwest 5 bis 6 ist für heute angesagt, aber es werden nur 3 Beaufort daraus. Wir können wieder segeln! Zum ersten Mal nach einer trostlosen Maschinenwoche. Nachmittags geht es südwärts durch den Chenal de Four, schöne, ruhige Fahrt mit 5 bis 7 Knoten. Wir können zum ersten  Mal auf dieser Reise die Topsegel setzen. An Steuerbord liegt die Ile d´Ouessant, an Backbord die äußersten Klippen der Bretagne, alles ist wie es sein soll an einem schönen Segeltag. Am Abend decken und dekorieren wir den Tisch mit französischen Käse- und Wurstspezialitäten, dazu Salate und Obst. Draußen genießen wir den großartigen Ausblick auf die Küsten der Rade de Brest. Glattgeschliffene, von der Atlantikbrandung ausgehöhlte Steilküste mit grünen Feldern und Wiesen darüber. Um 21.00 machen wir fest an unserem Liegeplatz in Brest. Wir liegen vor dem Nationalen Seefahrtsmuseum, zwischen den Schulschiffen der rumänischen und der brasilianischen Marine. Was mindestens genauso wichtig ist: Wir kommen bequem an Land, wir haben Wasser- und Stromanschluss, Petrine liegt ruhig. Dann gehen wir zum Rotwein über.

Samstag, 12. Juli

Heute wechselt die Crew. Die London-Brest-Mannschaft verlässt das Schiff, nach 497 Seemeilen und 2 Wochen mit vielen schönen Stunden, aber überwiegend sehr widrigem Wetter. Nie war so viel Gegenwind auf einer Sommerreise. Danke allen, die die Stimmung an Bord hoch gehalten haben!

Über den Autor
Jochen Storbeck segelt seid 1991 mit der Petrine