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Die Äußeren Hebriden (3.-8.8.2002)

Samstag, 3. August
Es weht immernoch aus Norden. Heute wollen wir nicht schon wieder in 2 Meter hohen Wellen hoch am Wind segeln. Mittags machen wir in Gairloch fest und bei feinstem Sonnenschein gehen wir an Sandstränden und in grünen Tälern spazieren. Die Baumgrenze ist hier schnell erreicht und über Heide und Hochmoor geht es auf richtig kahle Berggipfel mit hervorragender Aussicht auf Highlands und Schärenküste. Unsere Angler und die freundlichen Fischer sorgen für frischen Fisch an Bord bevor wir um 23.00 Uhr ablegen, um in der Abendflaute auf die Hebrideninsel Lewis zu fahren.

Sonntag, 4. August
Trotz Flaute ist die See doch recht bewegt im Northern Minch, der die Äußeren Hebriden vom Festland trennt. Wir werden nachts kräftig durchgeschüttelt. Morgens im Nebel umschleichen dann Große Tümmler das Schiff, bevor wir um 6.30 Uhr in Stornoway festmachen, dem Hauptort der Hebriden.
Schon bald stellen wir fest: Heute hat ganz Stornoway geschlossen. Sonntags haben noch nicht einmal Tankstellen oder Restaurants geöffnet, nur die Kirchen haben Hochbetrieb. Wir erholen uns von der letzten Nacht, entspannen uns, sammeln Informationen und Kraft für den morgigen Tag.

Montag, 5. August
Bei feinstem Sonnenschein und Windstille fahren wir heute mit Bus, Auto oder Fahrrad zu den Standing Stones of Callanish. Eine 4000 Jahre alte Ansammlung aufrecht gestellter, bis zu 3 Meter hoher Steine. Von hier haben wir heute einen traumhaften Fernblick auf die Fjorde der Westküste und die Hügellandschaft der Insel Lewis.
Zum Abendessen treffen wir uns wieder an Bord und legen um 21.00 Uhr in Stornoway ab: Bei schlechter Sicht nehmen wir Kurs Nordost auf das gefürchtete Cape Wrath (Kap des Zorns), die nordwestlichste Ecke des schottischen Festlandes.

Dienstag, 6. August
Ab 2.00 Uhr kommt ein leichter Wind auf, wir segeln mit mäßiger Fahrt, mal mit 2 Knoten, mal mit 4 Knoten auf das Kap zu. Die See ist ruhig, Kegelrobben und Wale, Basstölpel und Papageientaucher können wir beobachten, Makrelen können wir mit der Angel an Deck holen.
Mittags dümpeln wir in 2 Seemeilen Entfernung um das Kap, ohne es zu sehen. Wir hören die Dünung, die sich an den Felsen bricht, wir sehen viele andere Schiffe, die Cape Wrath umfahren, denn die Fernsicht ist gut, aber das Festland ist in dichten Nebel gehüllt und nur hier und dort ist uns mal ein Blick auf vorgelagerte Felsen gestattet.
Nachmittags fahren wir mit Maschine nach Osten, abends um 18.00 Uhr können wir wieder Segel setzen. Mit Kurs Nordost geht es auf die nördlichen Orkneyinseln zu. Wir müssen noch etwas Zeit vertrödeln, denn die Tide läuft mit bis zu 6 Knoten zwischen den Inseln und mit bis zu 16 Knoten (sechzehn) zwischen Orkneys und Festland.

Mittwoch, 7. August
Diesen Tidestrom nutzen wir in den Morgenstunden für die Ansteuerung des Fischereihafens Pierowall auf der Insel Westray. Gleich beim ersten Blick auf die Inseln stellen wir bemerkenswerte Unterschiede zu den Hebriden fest: Hier gibt es Äcker, auf denen etwas wächst; hier gibt es grüne Weiden mit Gras und ohne Steine. Bei nebeligem Nieselregen machen wir um 9.00 Uhr morgens in Pierowall fest. Ein freundlicher Hafenmeister versorgt uns mit Prospekten, Informationen, Elektrizität und Trinkwasser.
Die Bäckerei direkt am Hafen hat sich auf Kekse und Shortbread spezialisiert; zum Nachmittagskaffee gibts reichlich davon. Es ist auch Zeit für Spaziergänge ins Dorf, wo es 2 Läden und einen Jugendclub gibt, zum Castle, dessen Türme wir erklimmen dürfen und an den Strand, der hier von Schieferplatten geformt wird. Man grüßt sich auf den Orkneys, alle Autofahrer und erst recht die Fußgänger und die Bewohner der Häuser winken uns freundlich zu.
Abends fahren wir auf die Nachbarinsel Papa Westray rüber. Die Abendsonne sorgt für wunderschönes Licht und farbenprächtige Wolken und viele nutzen das tolle Wetter um Europas ältestes Haus zu besichtigen. Jaha, auf diesem kleinen Inselchen gibt es zwei gut erhaltene Häuser aus der Steinzeit, 3500 Jahre vor Christi Geburt errichtet. Feuerstelle, Trennwände, Nischen in der Wand, alles ist gut erkennbar, nur das Dach fehlt. Und alles direkt am Weststrand mit Panoramablick auf die Nachbarinseln in der Abendsonne. Spät abends wird noch die Sauna angeheizt. Vorsicht beim Sprung ins glasklare Wasser: Jede Menge Kegelrobben beobachten uns! Wenigstens sieht man sie schon von weitem heranschwimmen, denn man kann mindestens 30 Meter weit gucken unter Wasser.

Donnerstag, 8. August
Die frühen Morgenstunden sind windstill, trocken und wunderbar ruhig an diesem Anleger. Die nahen Kegelrobben beobachten wir mit dem Fernglas oder schleichen uns von der Landseite auf knapp hundert Meter heran.
Um 9.00 Uhr legen wir ab. Bald fängt es an zu nieseln, dann kommt leichter Nordwind auf und wir segeln südwärts zwischen den Inseln Sanday, Eday und Stronsay. Vorbeifahrende Fähren und Fischer machens wie die Autofahrer: Sie grüßen freundlich. Ab mittags haben wir den starken Gezeitenstrom von der Seite und obwohl wir mit Südkurs segeln werden wir nach Westen auf das felsige Ness of Ork versetzt. Bei Wind gegen Strom und unglaublich kabbeliger See müssen wir halsen und trotz flotter Fahrt durchs Wasser gewinnen wir nur ganz langsam wieder freien Seeraum. So kriegen wir eine ungefähre Vorstellung davon, wie gefährlich die Seefahrt früher zwischen diesen Inseln gewesen sein muß, ohne elektronische Navigation, womöglich im Nebel.
Nachmittags werden wir mit 9 Knoten Fahrt durch „The String“ gespült, ein schmaler Streifen Wildwasser zwischen dem Hauptort Kirkwall und der Insel Shapinsay. Um 16.30 Uhr machen wir in Kirkwall fest, früh genug um den Ort anzuschauen und die Segnungen der Zivilisation zu genießen: Landduschen, Bankautomaten, Shopping, Internetcafe. Kurz vor Mitternacht (und auch danach) schwingt ein Grüppchen Petrinesegler in einer gut besuchten Hafenkneipe putzmunter das Tanzbein. Zeitweilig wird es recht still an den Tischen, aber als zu später Stunde ein vielhändiger Zimmermannsklatsch für Lärm sorgt, stimmen auch die anderen Gäste gelegentlich ein Liedchen an. Der Barkeeper bleibt vom Geschehen völlig unbeeindruckt und schaut nur von der Zeitung auf, um gewissenhaft 2 Stück Eis auf jeden Famous Grouse abzuzählen.

Über den Autor
Jochen Storbeck segelt seid 1991 mit der Petrine