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Die Hebriden (21.-27.7.2002)

Sonntag, 21. Juli
Nach dem Frühstück legen wir ab und fahren noch einmal nach Kerrera rüber, um unseren Heckanker abzuholen, den wir vorgestern wegen des auffrischenden Windes dort zurücklassen mußten. Anschließend setzen wir Segel und der größte Teil des Tages vergeht mit Sicherheitseinweisung, Segeleinweisung, Wacheinteilung.
Um 16.30 Uhr gehen wir bei den „Schwarzen Inseln“ zu Anker. Warum sie so heißen, erschließt sich uns nicht, aber schön sind sie und unbewohnt, laden zu einer Wanderung ein und zur Erkundung einiger bemerkenswerter Höhlen. Abends heizen wir die Sauna und springen ins 10 Grad kalte Wasser.

Montag, 22. Juli
Während der Nacht regnet es heftig. Vormittags bleiben wir noch liegen, etwas erschöpft von der Sauna, etwas antriebsschwach wegen des Regens. Mittags hat es aufgeklart. Wir gehen Anker auf und segeln in den Sound of Mull. Als am Nachmittag der Strom zu heftig von vorne kommt, ankern wir im Loch Aline. Es wird gelesen, geangelt, spazierengegangen im Wald.
Das Ankern ist in Schottland generell nicht so einfach wie zuhause. Die Lochs sind sehr tief bis direkt unter Küste und es ist richtig schwierig, ein geschütztes Plätzchen zu finden mit Wassertiefen von weniger als 20 Metern. Warum wir nicht in den Hafen fahren? Weil es so gut wie keine Häfen gibt. Nicht einmal brauchbare Piers oder Anlegestellen bei den Dörfern. Beiboot und Außenborder sind also täglich im Einsatz.

Dienstag, 23. Juli
Um 4.00 Uhr haben wir mitlaufenden Strom und günstigen Ostwind. Der strömende Regen stört uns da kaum, denn wir können recht flott die restlichen 12 Meilen bis Tobermory segeln. Als wir dort festmachen, klart es auf und ab vormittags strahlt die Sonne und wärmt und trocknet Schiff und Crew.
Tobermory ist mit 600 Einwohnern die größte Stadt auf der Insel Mull und hat sogar eine kleine Pier, die wir benutzen dürfen. Die reichlich vorhandenen Jachten liegen an Muringbojen in der ganzen Bucht verteilt. Wir nutzen den strahlend blauen Tag zur Erkundung von Insel und Stadt. Und den lauschigen Sommerabend zur Erkundung der Pubs von Tobermory.

Mittwoch, 24. Juli
Früh um 7 Uhr verlassen wir die gastliche Pier in Tobermory und tuckern eine Stunde westwärts aus dem Sound of Mull. Bei leichtem West setzen wir Segel und nutzen den südsetzenden Strom, um Kurs auf die Inseln Staffa und Iona zu nehmen. Am Nordwestkap von Mull treffen sich zwei gegenläufige Ströme auf einem ausgedehnten Flach und bei sehr leichtem Westwind schaukeln wir plötzlich in einer 3 Meter hohen, steilen Welle. Nicht bedrohlich, eher interessant, aber bei frischem Wind sollen wir solche Ecken wohl meiden!
Um 14 Uhr passieren wir die berühmte Insel Staffa mit ihren Basaltsäulen, ausgedehnten Höhlen und tausenden Papageientauchern. Wir schauen uns alles durchs Fernglas an und verzichten auf Landgang, denn hier gibt es beinahe so viele Besucher wie Papageientaucher.
Um 17 Uhr gehen wir bei der Insel Iona zu Anker. Von hier ist im 6. Jahrhundert Schottland missioniert worden, hier liegen die ersten schottischen Könige begraben, unter anderen MacBeth und hier können wir bei guter Sicht einen schönen Abendspaziergang unternehmen. Klosterruinen, Abtei und viele wunderschön verwilderte Gärten laden uns ein.

Donnerstag, 25. Juli
Morgens im dicken Nebel können wir keine Küste mehr sehen, obwohl wir in einem Sund ankern, der nur 400 Meter breit ist. Nach dem Frühstück sieht man schon etwas mehr und viele unternehmen einen weiteren Landgang. Um 13 Uhr ist uns die Tide wieder günstig und wir gehen Anker auf. Kurs Nord. Bei mäßigem achterlichen Wind passieren wir während des Nachmittagskaffees die Inseln Tiree und Coll.
In heftigen, stürmischen Böen bergen wir die Segel östlich der Insel Rum, zu einer Zeit, in der wir ursprünglich Abendessen wollten. Um 20:30 Uhr gehen wir im Naturhafen von Rum zu Anker. Diese Insel ist Naturreservat mit vielen endemischen Pflanzenarten, 200 brütenden Vogelarten und vielen hundert Bachläufen, die sich überall kaskadenartig von den 800 Meter hohen Bergen stürzen. Es wohnen auch 15 Menschen hier auf einhundert Quadratkilometern.

Freitag, 26. Juli
Vormittags besichtigen wir die Insel Rum so gut es geht, wenn die Wolken tief hängen und jeden Blick auf die Berge verwehren. Die Wolken hängen nicht nur tief, sie können auch die viele Feuchtigkeit nicht halten. So regnet es ausdauernd, was die vielen Bachläufe um so eindrucksvoller sprudeln, rauschen und gurgeln läßt. Nach dem Mittagessen segeln wir los mit Kurs Nordwest bei mäßigem halben Wind.
Die Insel Skye hat ihren Namen von den Wikingern erhalten und er bedeutet „Wolkeninsel“. Wir bewundern die Treffsicherheit der Wikinger bei der Namensgebung, denn so schön die Insel auch ist: Wir bekommen nur die untersten hundert Meter von ihr zu sehen. Eine eindrucksvolle, manchmal skuril geformte Felsenküste, bewohnt von Tausenden von Lummen und Möwen, auch den putzigen Papageientauchern. Auf Skye gibt es auch die höchsten Inselberge Schottlands, annähernd 1000 Meter hoch, aber davon sehen wir nichts. Immerhin bleibt uns der Wind treu und es bleibt auch trocken, bis wir um Mitternacht im äußersten Nordwesten der Insel, in Dunvegan festmachen.

Samstag, 27. Juli
Eigentlich wollten wir hier das berühmte Dunvegan Castle besichtigen, aber aktuelle Ereignisse zwingen uns, diesen Plan zu ändern: In Dunvegan ist heute Agricultural Show! Die schönsten Schafe, Rinder, Hunde und Wollfließe werden prämiert; die Frauen wetteifern um den besten homemade cake, die Männer werfen einen zentnerschweren Eisenblock über eine Hochsprunglatte, jung und alt werfen mit Holzkugeln Kokosnüsse von einer Stange und überall kann man etwas gewinnen, alles für wohltätige Zwecke.
Star der Veranstaltung sind die Hütehunde: Nur von den Pfiffen des Schäfers dirigiert treiben sie zuerst 4 Schafe ganz sanft in den Kofferraum eines 4-Wheel-Drive, dann 5 Enten durch einen Slalomparcour über den ganzen Sportplatz in einen Tragekäfig. Die Hunde dabei konzentriert und angespannt wie Leichtathleten vor dem dritten Versuch, die Enten meist überraschend gelassen, finden sogar noch Zeit, wählerisch den Klee aus dem Rasen zu picken.
Der Schäfer, mit Lederhut und Vollbart, weit vorgebeugt auf seinen Stock gelehnt oder mit Riesenschritten den Sportplatz vermessend, ist mit jedem Zoll seiner Erscheinung der Herrscher über jede Bewegung der beteiligten Kreaturen. Nachdem Schafe und Enten in ihre Behausungen getrieben sind, genügt ein Wink des Schäfers und kurzhaarige kleine Jungens in Gummistiefeln traben eifrig über den Sportplatz und sammeln die Requisiten ein.
Auch unser Käpt’n hat heute einen guten Tag: Landestypisch wettert er den steinerweichenden Regen, der diese Veranstaltungen stilvoll umrahmt, in Wolljacke und Filzhut ab. Er bekommt von einer Dame einen homemade cake verehrt, er ballert mit gezieltem Wurf eine Kokosnuß von der Stange und wie er so übers Gatter auf die prämierten Schafe schaut, völlig kenntnislos zwar, aber mit gekräuselter Stirn und bohrendem Kapitänsblick, wird er um die Abgabe seines Stimmzettels gebeten: „Finished with judging?“
So bleibt uns das Castle für den morgigen Tag, denn bei dem heutigen Wetter wollen wir bestimmt nicht zu den Äußeren Hebriden segeln.

Über den Autor
Jochen Storbeck segelt seid 1991 mit der Petrine