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Die Hebriden (28.7.-2.8.2002)

Sonntag, 28. Juli
Es regnet. Den ganzen Vormittag. Es regnet in Schwaden, manchmal nieselt es auch nur, dann regnet es wieder in Strömen. Im Salon wird gelesen, musiziert, gebacken, erzählt. Zwischendurch wird das Castle besucht, oder wenigstens der dazugehörige Garten, der heute besonders grün ist.
Am frühen Nachmittag fängt es an aufzuklaren, zur Kaffeezeit kommt die Sonne durch. Wir werden uns schnell einig, sammeln die Ausflügler ein, füllen den Wassertank auf und um 18.00 Uhr verlassen wir die gastliche Pier in Dunvegan. Unser Ziel ist der Sound of Harris in den Äußeren Hebriden.
Die Äußeren Hebriden, dass sind vier größere Inseln und unzählige mittlere und kleine Inseln, Inselchen und Schären. Heute Abend sehen wir ihre Silhouetten vor einem unglaublich schönen Sonnenuntergang. Schwarz die nächstgelegenen Schären, dann in allen Grautönen gestaffelt, bis die entferntesten Inseln beinahe am Horizont verschwinden. Hinter den Inseln, im Westen, färbt die Sonne den Himmel in allen Farben des Feuers, gegenüber im Osten schwebt ein zartes Lila über Skye.
Um 22.30 Uhr machen wir in Leverburgh auf der Hebrideninsel Harris fest. Sogleich bietet man uns Strom und Wasser an und fragt, was wir denn sonst noch so benötigen.

Montag, 29. Juli
Morgens erkunden wir Ortschaft und Umgebung. Bei heftigem Wind müssen hochfliegende Pläne auf das machbare reduziert werden. Wir können nicht nach St. Kilda segeln, auch die Außenküste der Hebriden mit der Seehundkolonie auf den Monarch-Inseln bietet nicht genug Schutz bei diesem Wetter.
Um 13.00 Uhr legen wir ab und segeln südwärts mit gerefften Segeln in den Minch, den Sund zwischen Uist und Skye. Schnell flaut es ab, wir reffen aus, müssen eine Kegelrobbe wecken, die genau auf unserem Kurs ihr Nachmittagsschläfchen hält und in den Abendstunden dümpeln wir auf Loch Skiport zu, einen Fjord in der Ostküste von South Uist, zu Füßen des 600 Meter hohen Ben Hecla.
Um 21.00 Uhr machen wir an einer verfallenen Pier fest.

Dienstag, 30. Juli
Heute Morgen ist das ganze Schiff über die Toppen geflaggt, denn der Käpt’n hat heute Geburtstag. Nach Gesang und Festschmaus zum Frühstück erkunden wir die Umgebung bei Windstille und tiefhängenden Wolken. Fast alle Häuser und Gehöffte sind hier verlassen und verfallen; Schafe und freilaufende Pferde grasen zwischen den Steinen; Fischzuchtanlagen geben ein paar Arbeitsplätze für die verbliebenen Bewohner. Um 11.30 Uhr segeln wir südwärts weiter und erreichen um 16.20 Uhr den gut geschützten Naturhafen der Insel Eriskay.
Dies ist eine sehr geschichtsträchtige Insel. 1745 betrat hier der Anführer des Jakobiteraufstandes, Bonnie Prince Charlie, zum ersten Mal schottischen Boden. An einem wunderschönen Sandstrand übrigens, der auch ohne historisches Beiwerk jeden Besuch wert ist. Mitte des 19. Jahrhunderts war der Landlord der Inseln Barra, Eriskay und South Uist seiner ständig säumigen, viel zu armen Pächter überdrüssig. Er beschlagnahmte ihre gesammte Habe und ihr Land, um zusätzlichen Platz für seine Schafe zu haben. Dann stellte er die Pächter vor die Alternative: Ab nach Amerika oder rüber nach Eriskay. Auf Eriskay war das Land auch für die Schafe zu schlecht. Daraufhin hatte das karge Eiland über 400, statt vorher 80 Einwohner, die Seegras sammelten, um Gärten anlegen zu können.
Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die Insel dann weltberühmt, als ein amerikanisches Schiff mit 260000 Flaschen Whiskey an Bord hier strandete. „Binnen Stunde war jedes Lebewesen auf der Insel, einschließlich der Schafe und Ponies, sturzbetrunken“ sagt der Reiseführer. Der Whiskey reichte einige Jahrzehnte und bei unserem abendlichen Geburtstagsgrillen stellen wir fest, dass die Insulaner, zumindest der fischende Teil, nach wie vor über ausreichend Whiskey verfügen.
Es ist übrigens für einen Segler, der an deutsche Fischer und Hafenmeister gewöhnt ist, beinahe ein Wunder, wie man hier an den Piers der Fischer behandelt wird. Die verholen ihre Schiffe für uns, die kommen längsseits und tragen ihre Kisten bereitwillig über unser Schiff, die helfen jederzeit beim An- und Ablegen, alles bloß, damit wir einen bequemen Landgang haben.

Mittwoch, 31. Juli
Morgens Spaziergänge auf Eriskay; eindeutig mehr Steine als Gras, eindeutig mehr Häuser und Menschen, als auf den anderen Hebrideninseln. Mittags verputzen wir einen Sack Jakobsmuscheln, günstig erhandelt von freundlichen Fischern auf Eriskay. Dann setzen wir bei viel Nordwind Segel und nehmen Kurs auf den Sound of Sleat, der den Südteil der Insel Skye vom Festland trennt.
Abends läßt uns der Wind im Stich und wir machen um 20.30 Uhr auf der Insel Canna fest. Abendspaziergänge führen uns über jahrhundertealte Friedhöfe, eine Kapelle, zu Basaltsäulen und einsamen schwarzen Sandstränden.

Donnerstag, 1. August
Früh um 6.00 Uhr legen wir ab, um die Tide zu nutzen. Leider spielt der Wind nicht mit und wir dümpeln den ganzen Vormittag nördlich von Canna herum. Als der Käpt’n die Maschine anschmeißen will, meutert die Mannschaft: Was bei starkem Wind und auf stürmischen Überfahrten eine ganz brauchbare Crew war, zerfällt bei Flaute und Sonnenschein in kleine Grüppchen von Anglern, Musikanten, Literaten, Kulinariern und gewöhnlichen Faulenzern. Immerhin fangen die Angler ein komplettes Abendessen, immerhin haben wir wirklich lange genug auf Sonnenschein gewartet.
Mittags fahren wir durch den Soay Sund und kommen zu einer großartigen Aussicht auf die höchsten Berge von Skye in strahlendem Sonnenschein. Nachmittags können wir zum Sound of Sleat segeln und in der Abendsonne tuckern wir bei mitlaufendem Strom auf die Skye-Brücke zu. Wunderschöne Farben am Abendhimmel, tausend Meter hohe Berge, Seehunde und das Castle von Eileann Donnan. Crew und Käpt’n grinsen wieder einträchtig um die Wette. Wir bleiben lange an Deck und kommen spät in die Kojen. 23.00 Uhr sind wir fest in Kyle of Lochalsh.

Freitag, 2. August
Sind wir wirklich noch auf den Hebriden? Hier gibt es einen Supermarkt und einen Geldautomaten! Beides muß einen Ansturm von Petrineseglern über sich ergehen lassen, bevor wir um 9.30 Uhr ablegen. Heute ist prima Segelwind, wenn auch von vorn. Bei 6 Windstärken kreuzen wir östlich der Insel Raasay gen Norden. Gelegentlich zeigen uns die Wellen, dass sie doch von anderer Sorte sind als die Ostseewellen: Sie steigen ganz gern mal ein und kippen halbe Badewannen voll Salzwasser an Deck.
Sonnenschein und eine tolle Aussicht auf die Berge der Highlands und viele kleine und große Inseln verschönern uns das sportliche Kreuzen. Am Ende des 14-stündigen Segeltages sind wir 20 sm weiter gen Norden gekommen und gehen spät abends im Loch Torridon zu Anker.

Über den Autor
Jochen Storbeck segelt seid 1991 mit der Petrine